Monika Bernold, Andrea B. Braidt, Claudia Preschl (Hg.),
Screenwise. Film. Fernsehen. Feminismus.
€ 24,90/
240 Seiten.
Schüren. Marburg, 2004

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schueren-verlag.de

Foto: Schüren

Das Verhältnis von Film, Fernsehen und Feminismus, das der vorliegende Tagungsband benennt, ist - im produktiven Sinne - unübersichtlich geworden. Sowohl Medienwissenschaften als auch Gender Studies haben in den letzten Jahren intensive Auseinandersetzungen über die Historizität der eigenen Begrifflichkeiten geführt und diese dabei in erheblichem Maße problematisiert, ausdifferenziert und neu perspektiviert." Dem Tagungsband Screenwise ging im Mai 2003 die gleichnamige Veranstaltung in Wien voraus: eine mehrtägige, international besetzte Konferenz sowie eine Videolounge und ein Filmprogramm zur Standortbestimmung feministischer Film- und Medientheorie - ein Rückblick auf rund drei Jahrzehnte und ein Ausblick auf mögliche Weiterführung.

Der Band, der nunmehr 24 Beiträge in vier großen thematischen Blöcken versammelt und damit wieder Struktur in die "Unübersichtlichkeit" einführt, ist dementsprechend vielfältig geraten: Es geht längst nicht mehr (nur) um Rollenbilder, um die Darstellung von Frauen auf der Leinwand oder im Fernsehen. Das Spektrum der - unterschiedlich zugänglichen - Texte reicht vielmehr von theoretischer Selbstreflexion, der "historischen Kontextualisierung von Denkmodellen", bis hin zu konkreten Auseinandersetzungen mit dem frühen (österreichischen) Kino und seinen Darstellerinnen oder einer Analyse des Scheiterns der ORF-Kultur-Talk-Sendung karls.platz.

Die in Bochum lehrende Filmwissenschafterin Andrea Seier etwa, deren Text das eingangs zitierte Zwischenresümee entnommen ist, liest Quentin Tarantinos Jackie Brown (1997) mit Judith Butlers Theorie zur "Performativität". Und entdeckt dabei viel sagende Verschränkungen und Verschiebungen medialer, populärkultureller und geschlechtsspezifisch konnotierter Selbstdarstellung, aus der die Titelheldin als ambivalente Ikone weiblicher Selbstermächtigung hervorgeht.

In der Vielfalt der Ansätze und Arbeitsfelder werden immer wieder auch konträre Positionen sichtbar: Die Frankfurter Filmwissenschafterin Heide Schlüpmann fordert eindringlich eine "Theorie im Kino" und mithin eine an der Erfahrung mit dem klassischen Trägermaterial und seiner Vorführung im Kino orientierte neue Filmgeschichtsschreibung. Ihre britische Kollegin Laura Mulvey hingegen, selbst Verfasserin eines kanonischen Textes der mit dem klassischen Hollywoodkino befassten feministischen Filmtheorie (Visuelle Lust & Narratives Kino, 1975), ortet heute gerade in den technischen Möglichkeiten von Video- und DVD-Sichtungen (Stillstellung, Wiederholung) ein Potenzial für Revisionen klassischer Positionen durch eine "nachdenkliche Zuschauerin".

Screenwise macht somit seinerseits Angebote, sich zu den aufgeworfenen Fragestellungen zu positionieren. Beim Lesen und nicht zuletzt im Kino. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.2.2005)