Zur Aufnahme Innsbrucks in die Liste des "Weltkulturerbes" entsteht Skepsis.


Innsbruck – Die Bürgermeisterin will ihren Standpunkt überdenken, die Kulturlandesrätin wird "sicher nicht die Fahne hochhalten". Befürworter für die Aufnahme Innsbrucks in die Liste des "Weltkulturerbes" sind mittlerweile nicht mehr leicht zu finden. Die von Architekten geäußerte Sorge vor engeren Fesseln für die Stadtentwicklung und hoher Hürden für die zeitgenössische Architektur wird nun von politisch Verantwortlichen ernst genommen.

Jetzt erst, zwei Jahre, nachdem der Antrag des Bundes auf Initiative des Landes und des Tourismusverbands um Zuerkennung des Unesco-Prädikats deponiert worden ist, wird öffentlich debattiert. Ein Beschluss des Innsbrucker Gemeinderats steht noch aus.

Nicht nur die Altstadt von Innsbruck, die zunächst – vor zehn Jahren, in der Ära von Bürgermeister Herwig van Staa – für das Weltkulturerbe ins Auge gefasst wurde, soll unter Unesco-Schutz kommen sondern der Stadtkern mit seiner nahen Kulturlandschaft: "Für weltweit einzigartig betrachten wir die Kombination von Altstadt und der beeindruckenden Naturkulisse der Nordkette", sagt Franz Neuwirth von der Abteilung Denkmalschutz im Wissenschaftsministerium.

Die Prädikate Weltkultur- und Weltnaturerbe sollen also nach dem Willen der Antragsteller für Innsbruck kombiniert werden. Daher waren im Auftrag der Unesco Begutachter von zwei zuständigen internationalen Organisationen in Innsbruck: der Naturschützer Pierre Galan von der International Union für Conservation of Nature (IUCN) und der Stadtplaner Jaroslaw Kilian vom International Council of Monuments and Sites (Icomos). Dem Vernehmen nach waren die Experten zwar von der besonderen Verbindung von Stadt- und Berglandschaft angetan. Nicht aber jedoch vom neuen Innsbrucker Rathaus von Dominique Perrault (2002) oder von den Plänen für die neue Nordkettenbahn von Zaha M. Hadid. Das offizielle Gutachten steht laut Neuwirth noch aus.

Angst vor "Käseglocke"

Innsbrucks Architektenszene hat Sorge vor einer "Käseglocke". Arno Ritter, Leiter des Architekturforums "aut. architektur und tirol" kritisiert in einem Schreiben an die Verantwortlichen von Stadt, Land und Tourismusverband, dass im eingereichten Antrag "die Stadtentwicklung und Baugeschichte der vergangenen 70 Jahre ausklammert und ignoriert" würden.

Gerade Beispiele wie die neue Sowi-Fakultät von Henke/Schreieck (1999), das Rathaus und die Bergisel-Sprungschanze von Hadid (2003) hätten gezeigt, "dass zeitgenössische Architektur zur historischen und landschaftlichen Umgebung nicht im Widerspruch steht". Der Präsident der Tiroler Architektenkammer, Helmut Reitter, meint gar, dass es unter dem Aspekt des Weltkulturerbes auch ein Goldenes Dachl oder den Eiffelturm nicht gäbe".

Bei der letzten Gemeinderatssitzung zeigte sich auch Bürgermeisterin Hilde Zach von den Argumenten Ritters beeindruckt. Zach will ihren Standpunkt überdenken. Bautenstadtrat Georg Gschnitzer will als Skeptiker eine erneute Begutachtung beantragen. Auf Antrag der Grünen, der einstimmig angenommen wurde, wird nun der Gemeinderat einen Beschluss zum Weltkulturerbe nachholen.

Grünen-Klubchef Gerhard Fritz hält das Konzept des Weltkulturerbes, das in den 70er-Jahren entstanden ist, für überholt: "Der museal-konservatorische Ansatz war damals eine wichtige Reaktion auf den Bauboom der 60er-Jahre."

Kulturlandesrätin Elisabeth Zanon betont, dass der Antrag "vor meiner Amtszeit" eingereicht worden sei: "Ich bin nur dann dafür, wenn zeitgenössische Architektur weiterhin möglich ist." (bs/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.2.2005)