Zunächst gab es nur die Durchgänge, Plätze und Straßen vernetzend. Daraus wurde die Passage: eine "Erzählung". Dieser widmet sich die Ausstellung Prager Passagen im Wiener Ringturm (tägl. 9-18 Uhr, bis 11. 3.). In Prag trifft man Bauten, die das metropolische Aufleuchten der fortschrittsverliebten, jungen Moderne auch in der "Stadt der hundert Türme" spürbar machten - zugleich eine Stadt der hundert Passagen. Unter Glasdächern, im Parallellauf zum "neuen" Leben des Großstädters entwickelte sich ein hybrides Raumerlebnis: Über barocke Portale gelangte der flotte Bürger auf Mosaikfußböden, von Art déco begleitet ins Kino, Kasino, Kabarett. Da war reichlich Platz, Erstaunliches zu sehen, selbst bestaunt zu werden. Platz für die Ästhetik des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Passagen lenkten den neugierigen Blick unter die Eisenbetondecken des tschechischen Kubismus, Nationalstil der Ersten Republik, an Schilder, die da lauteten: "Zum weißen Hahn". Daneben blinzelten erste öffentliche Telefonzellen, Schnellimbisse. Eine Märchenwelt der Augenlust. Und heute? Shoppingcenter. Nachahmer. Wo man in erster Unrast zu suchen begonnen hatte, hinter Fassaden, in Passagen, fand sich nur weiteres Suchen; man wurde zum "Passagier". (alki/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.2.2005)