Aspen - Auf die Frage, welche Lehren er denn aus seinem Leben gezogen habe, meinte der einschlägig vorbestrafte Hunter S. Thompson einmal: das Wichtigste sei, sich von der Polizei fern zu halten, mit seinen Waffen zu üben - und immer das schnellste Auto zu besitzen.

Der 1937 in Louisville, Kentucky, geborene US-Autor gilt mit Sprüchen wie diesen als weniger literarisch einflussreich denn bis heute Generationen von Journalisten mit seinem "Gonzo-Journalismus" prägende Vaterfigur einer Berichterstattung, die von radikal subjektiven Vorgaben ausgehend immer in der persönlichen Anteilnahme und Verquickung mit dem verhandelten Thema das höchste Ziel seiner Arbeit sah. "Gonzo" steht hier als Slangwort nicht nur als Synonym für einen abstandslosen "Schwachkopf" und "Drogenschädel".

Mit Gonzo fand auch das bis heute oft den Journalismus verheerende Chronisten-Ich Eingang in die Medien. Dieses berichtet im Zweifel eher über eigene Befindlichkeiten angesichts des zu verhandelnden Themas als die in der Schulpublizistik gelehrte chronistische Distanz zu wahren.

Weil das Leben die schönsten Märchen schreibt, Realität im Zweifel allerdings immer auch verdichtet gehört, wurde der auch "bewusstseinserweiternden" Drogen nicht abgeneigte Verehrer von William Faulkner oder Ernest Hemingway, der in seiner Jugend ganze Romane seiner Helden auf der Schreibmaschine abtippte, um deren Sprachduktus zu ergründen, ab Mitte der 60er-Jahre als frühe und hervorragende Stimme der "US-Gegenkultur" mit Reportagen für den Rolling Stone berühmt.

Der im Amerikanischen gern geforderten "balanced view" setzte Thompson das "action verb" entgegen. Soll heißen: Wer über eine Drogenfresser-Party berichtet, soll gefälligst auch selbst von dem Zeug nehmen. Wie sonst soll man mitreden können?!

Es folgten eine umstrittene, gleichnamige Kolportage Hell's Angels über Amerikas berüchtigte Motorrad-Gang, und 1971 sein Hauptwerk, die irrlichternde Drogenreise in eine moralisch wie politisch angesichts von Vietnam und bald auch Watergate total verkommene USA: Fear And Loathing In Las Vegas.

Bis zuletzt blieb Hunter S. Thompson, der nach seinem Engagement für die US-Linke und die Drogenlegalisierung in den 70er-Jahren zuletzt heftig gegen George W. Bush wetterte und gleichzeitig den rechten Schießwütigen heraushängen ließ, eine umstrittene, heute kaum noch gelesene Zentralfigur einer längst untergegangenen US-Gegenkultur. Nur wenige Freunde wie Bob Dylan, Keith Richards oder Sean Penn durften den gesundheitlich Angeschlagenen am Ende besuchen. Im Herbst 2004 erschien noch sein seit 1962 verschollener Romanerstling The Rum Diary erstmals auf Deutsch.

Thompson nahm sich jetzt 67-jährig nach Operationen an der Wirbelsäule und der Hüfte daheim in Aspen, Colorado, mit einer Faustfeuerwaffe das Leben. (schach/DER STANDARD, Printausgabe, 22.02.2005)