Foto: Uwe Spoering
Ein Schweizer Ausstellungsprojekt befasst sich mit der Herberge der Zukunft. Der Begriff "Designhotel" scheint ausgedient zu haben, im Vordergrund steht eine Behausung für die Sinne


Jede weitere Umdrehung, die der Bohrer macht, frisst neue Späne aus dem Brett. Immer tiefer wird das Loch, das Egon Babst bohrt. Beharrlich, ruhig, zielstrebig. Aber das Brett ist dick. So braucht das Bohren vor allem eines: Zeit. Viel Zeit. Nicht Tage, sondern Wochen und Monate: Im Kanton Luzern, im schweizerischen Willisau, also jenem kleinen Ort in der Zentralschweiz, wo die Wellis AG ihren Sitz hat, wird in Jahren und Jahrzehnten gedacht, geplant und gehandelt. Was nun zu einer Ausstellung führt, die vor wenigen Tagen ihre Pforten öffnete. Im foroom, einem Veranstaltungs-und Kommunikationsort, den eine Schwesterfirma der Wellis AG, die foroom AG, betreibt, ist eine Schau zu bestaunen, die unter dem Titel "Five+ Sensotel" einen "Blick auf das sensuelle Hotel von morgen" verspricht.

Entworfen hat das Konzept die Innenarchitektin Yasmine Mahmoudieh, realisiert wurde es von einer weiteren Wellis-Schwester, der Bel Etage AG, einem Dienstleister für die Planung und Realisierung von Gastronomiekonzepten. Womit der seit Herbst 2002 formulierte foroom-Anspruch "Generator zu sein für Raum- ästhetik, Raumkultur und Rauminszenierungen" an Greifbarkeit gewinnt - zu bislang vagen Worten gesellen sich nun prüfbare Ergebnisse. Eine Ausstellung zudem, die ohne das beharrliche Bohren von Egon Babst nicht zu denken ist.

In zwei Bereiche ist die Ausstellung gegliedert. Im Keller hat die Innenarchitektin einen Parcours installiert, der aus fünf zylindrischen Räumen besteht. Jeder widmet sich einem anderen Sinnesorgan. Der erste Zylinder schärf das Ohr. Abgeschottet von äußeren Einflüssen, soll der Besucher seinem eigenen "Body-Sound" lauschen. Zwei weitere Räume widmen sich dem Fühlen unterschiedlichster Materialien sowie dem Sehen fluoreszierender Wände. Der Geschmack wird in einem dunklen Raum geschärft, in dem gleichfarbige Pillen zur Verkostung gereicht werden, die in ihren Geschmacksrichtungen variieren - praktisch ins Werk gesetzt von Sissel Tolaas, in Kooperation mit dem Parfumhersteller International Flavors & Fragrances (IFF). Ein letzter Raum widmet sich dem Riechen. So weit das Vorspiel. Weiter geht es im Erdgeschoß, dem eigentlichen Ausstellungsraum des foroom. Hier betreten wir das Hotel der Sinne von morgen: die konkrete Realisierung des Konzeptes. Durch einen Hotelflur, an dessen Wänden farblich leuchtende Dioden zwischen gelaserten Textilien (Création Baumann) flimmern, gelangt man in ein Hotelzimmer klassischer Dimensionierung sowie eine Suite - mit 68 Quadratmetern Größe allerdings eher eine der kleineren Behausungen, die unter diesem noblen Namen firmieren darf.

Aber nicht um Dimensionierungen geht es - das Konzept ließe sich schließlich auch vergrößern - sondern um die ausgewogene Ansprache aller Sinne. Und die soll sich von anderen Hotels unterscheiden, von Hotels etwa, die mit dem Label "Designhotel" werben, nicht selten Häuser, die sich als Diktatur des Minimalismus entpuppen: Sie huldigen allein der klaren Linie, erschöpfen sich etwa im Farbreichtum durch spaßfreie Variationen von Mausgrau bis Steingrau. Alles sehr cool, hipp und modern. Nur: Leben will in diesen aseptischen Designmanifesten eigentlich niemand.

Anders im Hotel der Sinne. Natürliche Materialien, etwa Nussbaumholz, hat die Innenarchitektin mit farblich leuchtenden Flächen aus Kunststoff kombiniert, deren Farbstimmungen sich reich variieren lassen, wofür der Kooperationspartner Zumtobel Staff sorgt. Und wer den Schlafraum betritt - so sieht es das wohl durchdachte Konzept vor -, soll von dezenten Düften betört werden.

Sanfte Klänge tönen aus Lautsprechern. Dem Tastsinn bietet vor allem der Boden Anregung. In Schuhen kaum spürbar, breitet sich ein sanddünenartiger Teppich uneben im Raum aus, dessen Unebenheiten sich barfüßig sehr wohl ertasten lassen (Tisca Tiara). Und rings um die Badewanne wurden faustgroße Sandsteine als Bodenbelag gewählt. Kurzum: Aus dem Arsenal aller Hersteller, die sich an diesem Projekt beteiligten, wurden die feinsten Zutaten ausgewählt. So rieselt im Bad der Suite eine Monsunregendusche, die der Armaturenhersteller Dornbracht beisteuerte.

Aber es sind nicht so sehr die einzelnen Komponenten, die das Konzept so rund und stimmig - damit aber auch etwas unspektakulär - erscheinen lassen. Vielmehr besticht die Gliederung der Räume, vor allem die raumgreifende Expansion des Bades - ein Trend, den auch Dornbracht schon seit Längerem beschwört. So gelangt der Besucher des kleinen Hotelzimmers in einen Flur, der nicht als solcher wahrzunehmen ist. Geradewegs trifft der Blick auf einen Schrank, der als Trennung zwischen Eingangsbereich und Wohnraum fungiert. Seitlich trennt eine geschwungene Wand das großzügige Bad ab, gefertigt aus hochwertig anmutendem Kunststoff: Hier erstreckt sich ein einladender Nassraum, von dem der Pressetext verkündet, es sei "ein Ort von Wellness, Kontemplation und Empowerment".

Wie auch immer das Bad im Hotel der Sinne zu nennen ist: Das foroom in Willisau, erdacht als neutraler Ort, dem es laut Babst am Herzen liegt, "das Bewusstsein für Qualität" zu schärfen, hat spürbar an Schärfe und Profil gewonnen. Kulturelle Veranstaltungen, aber auch kommerzielle Präsentationen finden hier die passende Bühne. Wird andernorts diffus von Vernetzung lamentiert, in Willisau weckt das foroom das Kooperieren von Unternehmen zum Leben, werden Kompetenz und Können - vorwiegend von mittleren und kleinen Unternehmen - in eine Waagschale geworfen. Überaus produktiv, wie die Ausstellung belegt. "Ideen zu haben", meint Babst, "ist nicht das Problem." Sie aber umzusetzen, Partner zu finden, die an der Realisierung werkeln, das sei Aufgabe und Chance der Zukunft. Das Erkennen immer mehr Unternehmer. Und an diesem Brett bohrt Babst. Beharrlich. (Knuth Hornbogen, DER STANDARD, rondo/04/03/2005)