Misik, durch journalistische Wertarbeit für Magazine und Zeitungen ebenso als gut lesbar ausgewiesen wie als Autor kluger Bücher (Marx für Eilige), tranchiert den saftigen Brocken so gekonnt, dass zum Schluss "Moores Dilemma" ("Er profitiert vom Setting, das er bekämpft") sowie eine nüchterne Erkenntnis blank vor uns liegen: "Er wäre nicht geworden, was er wurde, wäre ihm nicht ein großes Glück widerfahren - dass ihm in George W. Bush ein kongenialer Konterpart geschenkt war."
Zum nächsten Gang tischt uns Misik scheinbar Schweres auf - auch diesmal so zubereitet, dass die Sache leicht bekömmlich bleibt. Er beschreibt den Hype um die Theorieschwarte Empire und geht dem "erstaunlichen Altersruhm" des Empire-Autors Toni Negri auf den Grund. Negri - Stichwortgeber des italienischen Linksradikalismus und Theorie-Star der Globalisierungskritik - erscheine "umso weiser, je unverständlicher das Zeug ist, das er von sich gibt". Elegant gelingt es Misik in der Folge, selbst derart Kompliziertes verständlich zu machen: Wem Negri im Original zu verworren ist, dem sei Genial dagegen empfohlen. Da wird zuletzt gar noch erklärt, warum Negris Werk trotz aller Hürden so anziehend ist: "Die Revolution ist etwas für Asketen, die warten können, Negris Revolte die passende Haltung für all jene, die jetzt ausbrechen wollen - JETZT, HIER UND JETZT!"
Schlagfertig und pointenreich seziert Misik nach und nach alles, was heute links und in ist. So ist das Buch auch als Lexikon der zeitgenössischen Linken zu lesen - von Andreas (Baader, Mythos) geht es zu Benjamin ("immer radikal, niemals konsequent"), weiter über Che (Mythos) und Chomsky, nach Davos und zu den Disobbedienti von Genua - wohin man auch blickt, das Rebellische ist allgegenwärtig.
Die wesentliche Frage gerät Misik dabei nie aus dem Blick: "Wie ist das Radikale, wie ist Linkssein denk-und begründbar nach der klassischen Linken, jenseits der Orthodoxie?" Furios trägt er auf der Suche nach dieser linken Ideallinie ein Gericht um das andere auf. Mal rührt er das Werk des exzentrischen Philosophie-Entertainers Slavoj Zizek ("das Kontrastprogramm zu Negri, ernster und unernster zugleich") kräftig durch. Dann schält er die postdramatischen Theatertexte des René Pollesch ("Seine Figuren schreien nicht: Ich will anders leben. Sondern sie schreien: ICH WILL DAS NICHT LEBEN.") bis auf ihren Kern. Daneben montiert er, in die Speisenfolge als kleine Grüße aus der Küche eingeschoben, aktuelle Beobachtungen, die ihn als Leser, als Kinobesucher, als Musikhörer ausweisen. Einmal lässt er zum Beleg einer These die Berliner Combo "Wir sind Helden" aufmarschieren, dann werden der Filmemacher Hans Weingartner ("Die private Revolte ist in Wahrheit nie privat") und die Protagonisten der Antiglobalisierungskomödie Die fetten Jahre sind vorbei als Zeugen angeführt ("Wild und frei leben, das will doch jeder Zweite").