Räume, in denen Zweifel am Rechtsstaat entstehen: Tristan Sindelgruber und Angelika Schuster rollen die Aktion "Operation Spring" nochmals auf.

Foto: Diagonale

Räume, in denen die Macht nicht greifbar wird: Gerhard Friedls bestechendes Bilderkaleidoskop "Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?"

Foto: Diagonale
"Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?", "Operation Spring" und "Artikel 7 - Unser Recht!"


Die Ausmaße moderner Ökonomien sind zu total, als dass sie sich in einer Ordnung der Bilder wiedergeben ließen. Was sich im Spielfilm allenfalls notdürftig über allegorische Erzählweisen auflösen lässt, stürzt den Dokumentarfilm in eine Krise der Darstellbarkeit. Wo setzt man an, wenn es kein klares Zentrum wirtschaftlicher Transaktionen gibt? Wenn sich die weit verzweigten Flüsse des Großkapitals erst über ihre Auswirkungen zu erkennen geben?

Gerhard Friedls Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen? ist dieses Dilemma bewusst, mehr noch, er macht es zu seinem eigentlichen Thema: "Der Film schwindet. Seine Erfahrbarkeit ist sein Argument", schreibt der Filmemacher über seine Arbeit, in der eine Chronique scandaleuse der deutschen Wirtschaftsgeschichte dazu genutzt wird, die Möglichkeit der (filmischen) Einsicht und Erkenntnis zu thematisieren.

Bild und Ton bilden darin zwei getrennte Serien. Eine Objektivität suggerierende Voice-Over entspinnt eine Erzählung über Leben und Taten von Wirtschaftsmagnaten. Unternehmen werden gegründet und erweitert, Übernahmen finden statt, und so zielgerichtet wie der Aufstieg folgt der Fall: Konkurs, Pleiten, Flugzeugabsturz, Selbstmord.

Die Allwissenheit des Erzählers nährt aber einen Verdacht: Je mehr skurrile Eigenheiten der Protagonisten sich in die Rede mischen, desto willkürlicher wirkt diese auch. Die Autorität des Kommentars ist zweifelhaft, weil zwischen Bedeutungsvollem und Belanglosem kein Unterschied gemacht wird.

Auf der Bildebene wird diese Ambivalenz noch weiter verschärft: Die Kreisschwenks über Fabrikräume und Produktionsstätten, die Fahrten durch Orte des Jetsets und der Finanz bleiben sehr allgemein. Friedl montiert die Aufnahmen allerdings mit einer tückischen Referenzialität zum Kommentar, sodass sie Sinn stiften: Unweigerlich findet man Entsprechungen, unabsichtlich wird man zum Opfer seiner Erkenntnislust.

Wo Friedl die Darstellungsweise offizieller Geschichte problematisiert, sucht Operation Spring eine Gegenansicht zu einem "Polizeierfolg": Bei der titelgebenden Aktion wurden im Mai 1999 rund hundert Afrikaner in ganz Österreich verhaftet, angebliche Mitglieder eines Drogenrings. Grundlage der Fahndung war der erste "große Lauschangriff". Er lieferte die Indizien für eine Reihe von Justizverfahren, die zum überwiegenden Teil mit Schuldsprüchen endeten.

Prekäre Dynamik

Tristan Sindelgruber und Angelika Schuster rollen den Fall nochmals auf, wobei sie ihr Augenmerk sowohl auf die innere Dynamik des Prozesses als auch auf die symbolische Ebene politischer Zusammenhänge richten. Letztere ist durch die zeitliche Nähe des Geschehens zum Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma gegeben: Mehrere der Verhafteten waren an Demonstrationen gegen Polizeimethoden beteiligt. Dass es zwischen diesen Ereignissen eine Verbindung gibt, ist ein Verdacht, der nie ganz zerstreut werden konnte.

Konkreter - und noch beunruhigender - wird Operation Spring, geht es um die Verfahrensmethoden: Schritt für Schritt - und immer sachlich - zeigt der Film auf, dass für die Beweisführung zweifelhafte Indizien verwendet wurden. Das Problem, dass das Überwachungsmaterial kaum Aufschlüsse über Aussagen zuließ, löste ein nicht beeideter Übersetzer mit beträchtlichen Freiheiten. Zeugen traten vermummt für Anklagen auf, in denen es hieß, der Verdächtige habe "Drogen zu unbekannter Zeit an unbekannte Personen verkauft".

Nicht nur für den Verteidiger eines noch laufenden Prozesses lassen sich solche Tathergänge kaum widerlegen - das hatte womöglich Prinzip: In dem Maße wie Operation Spring Argumente für unsaubere Verfahrenspraktiken zusammenträgt, bestärkt sich die Vermutung, dass hier die Methode über das Ergebnis Sieger blieb: Über die Effizienz des ersten Lauschangriffs dürfte es schon vor jedem Prozess kaum Zweifel gegeben haben.

Ein medial ungleich präsenteres Beispiel für den Umgang mit Minderheiten steht im Mittelpunkt von Thomas Korschils und Eva Simmlers Artikel 7 - Unser Recht!. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kärntner Slowenen wird zu einer um die Frage österreichischer Identität: Von der Verfolgung der Partisanen während der NS-Zeit über den Ortstafelsturm bis hin zu aktuellen Diskussionen zeigt der Film eine Kontinuität der Ausgrenzung auf.

Korschil und Simmler stellen diesem dominanten Diskurs jenen von Aktivisten der 70er-Jahre entgegen. Sie heben damit eine verschüttete Tradition ans Licht, von der sich das offizielle Kärntens, wenn nicht ganz Österreich, stets distanziert hat. Die Weigerung, den Artikel 7 des Staatsvertrages zu erfüllen, indem man die entsprechende Zahl zweisprachiger Ortstafeln aufstellt, ist dafür nur das deutlichste Symbol.

Ergänzend dazu betreibt Artikel 7 auch eine Art Medienarchäologie: Anhand von ORF-Archivmaterial wird deutlich, dass das öffentliche Bewusstsein für diesen Konflikt einmal weit größer war. Dominierten zunächst Bilder von Umzügen - Veranstaltungen im Gedenken an den Abwehrkampf -, wurde in den 70ern in Sendungen wie "Club 2" kontroversiell diskutiert. Dass auch diese Tradition versickerte, spricht nicht für die Gegenwart. (DER DIAGONALE STANDARD, Printausgabe, 15.03.2005)