Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Echo-Verlag

Es war gestern. Da rief B. an und jammerte. Weil sie und ihr Feund im Bett lägen. Und – nein, das höre man doch wohl an ihrer Stimme – das läge mitnichten daran dass ihnen der Frühling in die Glieder gefahren sei: Sie lägen, krächzte B., im Bett, tränken Tee und niesten – und sähen dabei der Sonne bei ihrer Frühlingseröffnungstour durch den Garten zu.

Daran, dass sie und ihr Freund jetzt – wo die Grippezeit doch vorbei sei und alle anderen den Sonntag in der Sonne verbrächten – hustend, schnupfend und mit Halsweh darnieder lagen, beschwerte sich B., seien wir schuld: Schließlich hätten wir sie doch eingeladen, am Freitag eine Ausfahrt zu machen. Um ihren neuen Wagen zu sehen.

Offenes Dach

Als verantwortungsvolle Freunde, setzte B. ihre Suada fort als der Niesanfall ihres Freundes im Hintergrund verklungen war, hätten wir das nicht dürfen: Und hätte klar sein müssen, dass Menschen, die zum ersten Mal mit dem eigenen Cabrio unterwegs sind, das Dach sofort aufreissen würden – eigentlich: müssen – wenn kein Schnee vom Himmel fällt.

Ja, raunzte B., auch wenn das Thermometer die Zehnergrade gerade erst anknabberte: Von verantwortungsbewussten Freunden könne man erwarten, dass sie da nicht obergescheit Schals verschenken, referieren, dass ausgerechnet Hamburg – bei angeblich 200 Regentagen im Jahr – die höchste Cabriodichte Deutschlands haben und dann fragen, ob der Motor denn stark genug wäre, bei voll aufgedrehter Stereoanlage und Heizung den Wagen überhaupt noch. Auch den Hinwweis darauf, dass der neue Mercedes SLK im der Ncakenstütze einen „air scarve“ oder so ähnlich genannten Fön habe, für sie aber wohl doch zu teuer wäre, wäre einfach gemein gewesen.

Schlüsselabnahme

Gute – echte - Freunde, beschwerte sich B., hätten anders agiert. Die hätten sie daran gehindert los zu fahren: Sonnenschein sei für Cabrionovizen wie Alkohol. Wir hätten vorhersehen müssen, dass das nur eine Fahrt ins Verderben werden konnte. Wir, sagte B. mit knarrender Stimme, hätten also einschreiten müssen. Wenn schon nicht aus Freundschaft, dann aus Erfahrung.

Unser Hohngelächter, setzte B. nach einer kurzen Pause (sie hatte wütend aufgelegt) fort , wäre fehl am Platz: Schließlich wären wir vor zwei Jahren doch auch in die Falle getappt, die dieses Wochenende über ihr und ihrem Freund zugeschnappt habe. Und – damit wäre sie, sagte B., endlich am Punkt – seither hätten wir ihr Fieberthermometer. Das hätte sie jetzt – bitteschön - gerne wieder. (21.3.2005)