Alexander von Schönburg, geboren 1969 in Mogadischu (Somalia), ist der Sohn sparsamer Eltern aus verarmtem Adel und Bruder von Gloria von Thurn und Taxis. Er war Teil der deutschen Popliteratur-Bande um Christian Kracht und Redakteur der Berliner Seiten der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Heute arbeitet er als freier Autor von zu Hause aus.

Foto: Schönburg
Zu wenig Geld? Der deutsche Popautor und Journalist Alexander von Schönburg propagiert in seinem eben erschienenen Buch die "Kunst des stilvollen Verarmens". Und erklärt im Gespräch mit Sebastian Fasthuber, warum Helmut Berger ihm darin ein Vorbild ist.


Wien – Dieses Buch war unvermeidlich. Denn als die Börsen-Seifenblase platzte und viele gerade erst in ihre schicken Büros eingezogene Neo-Medienprofis gleich wieder die Schlüssel zu diesen abgeben mussten, hatte man in Berlin-Mitte und Umgebung auf einmal viel mehr Zeit und viel weniger Geld.

Alexander von Schönburg sollte als von der Papierform als Popliterat, von einem festen Redakteursposten entlassener Journalist und Spross aus verarmtem, aber mit besten Kontakten zu den Reichen und Schönen ausgestattetem Adelsgeschlecht der richtige Mann sein, Schlüsse aus dieser Misere zu ziehen. Die Kunst des stilvollen Verarmens heißt sein Ratgeber für harte Zeiten. Tenor: Wer weniger besitzt, ist nicht nur glücklicher, sondern auch der wahre Meister in der Lebenskunst.

Seine Anleitungen für eine gelungene Existenz geraten Schönburg allerdings ein wenig gar bieder, weit besser funktionieren da die Passagen, in denen er sich seinem Thema von der Maschekseite her nähert und virtuos fragwürdige Wohlstandskonzepte wie Fernreisen, das eigene Auto oder "schön essen gehen" demontiert.


STANDARD: Herr von Schönburg, als Mitglied des popkulturellen Quintetts Tristesse Royale saßen Sie im Hotel Adlon, heute preisen Sie die Gemütlichkeit der eigenen vier Wände. Was ist da passiert?

Schönburg: Ich bitte Sie, Tristesse Royale war im letzten Jahrtausend. In einer Zeit, als alle glaubten, die Wirtschaft werde ewig so weiterwachsen. Die Ausgangslage ist heute doch eine ganz andere.

STANDARD: Als Beispiel für die Kunst des stilvollen Verarmens nennen Sie den einstmals großen Schauspieler und Selbstdarsteller Helmut Berger, der heute verarmt bei seiner Mutter in Salzburg wohnt. Was kann man von ihm lernen?

Schönburg: Würde! Er sitzt innerlich auf so einem hohen Ross, dass ihm der Umstand, dass er nicht mehr berühmt und reich ist, völlig egal ist. Und Stil! Berger würde selbst als Clochard noch eine bessere Figur machen als die meisten heutigen so genannten Prominenten im Frack.

STANDARD: Sie selbst stammen aus einem verarmten Adelsgeschlecht, verkehrten speziell nach der Hochzeit Ihrer Schwester Gloria mit dem Fürsten Thurn und Taxis, aber auch in sehr betuchten Kreisen. Schafft ein solches Doppelleben eine klarere Sicht auf Arm und Reich?

Schönburg: Es schafft vor allem eine klare Sicht darauf, dass man nie genug Geld haben kann. Denn egal, wie viel man hat, man glaubt immer, mehr zu benötigen. Eines der Hauptprobleme unserer Zeit scheint mir außerdem, dass einem durch die Medien in einem fort eingeredet wird, dass wir alle Millionäre sein können. Die meisten von uns werden nie reich, aber wer auf diese Propaganda reinfällt, macht sich garantiert unglücklich, weil er an die Karotte, die einem vor die Nase gehalten wird, nie herankommt.

Dadurch, dass ich mittellos aufgewachsen bin, aber oft von sehr reichen Leuten umgeben war, habe ich dieses Gefühl des Defizits, dieses Karotte-vor-der-Nase-Gefühl, hautnah erlebt. Ich musste keine Bunte aufschlagen, um das angeblich so süße Leben der Reichen zu sehen. Ein tatsächliches Gefühl des Wohlstands empfinde ich erst, seitdem ich mich damit abgefunden habe, dass andere nun mal reicher sind als ich und ich eben mit meinen Möglichkeiten auskommen muss.

STANDARD: Sie begründen den Wunsch nach einer Simplifizierung des Lebens aber auch mit dem ästhetischen Reiz des Einfachen. Ist Bedürfnisreduzierung angesichts der allgemeinen Lage in vielen Fällen nicht einfach notwendig – man kann es sich ohnehin nicht aussuchen?

Schönburg: Wenn man ohnehin zur Sparsamkeit gezwungen ist, sollte man wenigstens nicht den Fehler machen, den Verzicht als Defizit zu sehen, sondern sich die ästhetischen und kulturellen Vorteile bewusst machen.

STANDARD: Zu denen zählen Sie in Ihrem Buch, den Wert des Einfachen zu schätzen, gute Freunde einzuladen etc. Schwingt da nicht auch ein bisschen Neo-Biedermeier mit?

Schönburg: Das Biedermeier war eine vorrevolutionäre Zeit, endete mit den europaweiten Revolutionen um 1848. Es war die Sehnsucht nach der Ruhe, weil alle ahnten, dass ein Sturm bevorsteht. Aus biedermeierlichem Harmoniebestreben hoffe ich also sehr, dass wir uns nicht einer Epoche des Neo-Biedermeier befinden.

STANDARD: Was tun Sie, wenn Die Kunst des stilvollen Verarmens Sie jetzt reich macht?

Schönburg: Ich bin auf das Schlimmste gefasst. Zurzeit steigt das Buch in der Bestsellerliste bedrohlich. Meine Hoffnung ist, dass ich die Bescheidenheit, die ich propagiere, auch dann zu praktizieren fähig bin, wenn ich nicht mehr dazu gezwungen bin.


Vom Adlon ins Abseits
Erinnerung an die Popliteratur

"Ihr sagt: The höher they come, the blöder they fall", heißt es aktuell in einem Stück der Berliner Band Wir sind Helden. Von dieser Schadenfreude, wenn schnell Emporgekommene sich wieder dem Boden nähern, wüssten auch die deutschen Popliteraten, zu deren wichtigeren Vertretern Alexander von Schönburg gezählt wird, ein Lied zu singen.

Er und seine Kollegen Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre, Eckhart Nickel und Joachim Bessing wurden vor allem wegen des 1999 im Berliner Hotel Adlon aufgezeichneten Gesprächsdokuments Tristesse Royale, in dem sie sich als blasierte Neureiche der schreibenden Zunft inszenierten, vom Feuilleton in der Luft zerrissen. Gerne übersehen wurde, dass diese Autoren Oberflächlichkeit nicht nur propagierten, sondern sie gleichzeitig einer mitunter sehr profunden Analyse unterzogen, und dass sie ihr dekadentes Treiben weniger ernst denn als lustigen endzeitlichen Tanz auf dem Vulkan begriffen.

Was allerdings auch dazu führte, dass Stuckrad-Barre, der die ihm zugewiesene Popstar-Rolle zu lebensnah anlegte, im weißen Pulver versank (wobei er selbst noch seine Suchtprobleme mediengerecht ausschlachtete), während viele andere Popautoren wie Benjamin Lebert (Crazy) bald wieder in der Versenkung verschwanden.

Vielleicht warten manche auch nur darauf, bis ihr Übervater Rainald Goetz endlich sein langes Schweigen bricht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.3.2005)