Astrid Osterland (69) ist eine der Initiatorinnen des Berliner Lesbenfriedhofs. Sie will dort mit ihren Wahlverwandten begraben werden. Die Blutsverwandten liegen hinten in der Gruft.

Foto: Birgit Baumann

Sanft wogt lila Flieder im Wind, eine Amsel tschirpt und lässt sich auf dem Kopf eines steinernen Engels, der die Arme flehend gen Himmel richtet, nieder. Man kann den Georgen-Parochial-Friedhof im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg nur idyllisch nennen. Zwischen Bäumen wuchert viel Efeu, hohes Gras leuchtet sattgrün.

Astrid Osterland jedoch überkommen beim Anblick eines naturbelassenen Stücks Friedhof schmerzhafte Erinnerungen. "Was haben wir gerackert und geschleppt", sagt die 69-Jährige. Das aber soll - um Gottes willen - keine Beschwerde sein.

Sie und ihre Mitstreiterinnen haben gerne zur Schaufel gegriffen. Schließlich galt es, auf dem Friedhof Pionierarbeit zu leisten und den ersten Lesbenfriedhof Deutschlands anzulegen.

Das verwilderte Areal auf dem Friedhof pachtete zunächst die Sappho-Frauenwohnstiftung, die lesbische Frauen unterstützt. Von Unkraut befreit, beackert und für 15.000 Euro gestaltet haben es danach Frauen des Vereins "Safia - Lesben gestalten ihr Alter". Durch das Gras führen nun verschlungene Wege, die nach einem keltischen Symbol - der Triskele - gestaltet wurden, eine geschwungene Bank lädt zum Verweilen ein.

Für Osterland, Soziologin und seit Jahrzehnten feministische Aktivistin, ist der Friedhof eine ganz logische Entwicklung: "Auch wir altern und werden sterben", sagt sie. Natürlich könnte sie sich dann überall begraben lassen, auf einem Friedhof im Süden Berlins etwa, wo ihre Eltern liegen. "Aber da fährt doch keiner gern raus, höchstens einmal im Jahr", meint Osterland und betont: "Ich will eines Tages hier liegen im Kreise meiner Schwestern."

Kein Zaun um das Areal

Zu wissen, dass sich die Hinterbliebenen auf dem Friedhof regelmäßig treffen werden, sei ihr jetzt schon "großer Trost". Andere sehen das anders, es gab am Friedhof auch einige Kritik. Die Lesben wollten sich über den Tod hinaus ab- und andere ausgrenzen, hieß es. Für Osterland ist das völliger Unsinn: "Nirgendwo hier ist ein Zaun, alle, die frei von homophoben Gedanken sind, sollen Zutritt haben." Und überhaupt: Wenn jemand ausgegrenzt werde, dann ja wohl immer noch lesbischeFrauen.

"Schauen Sie mal dort hinüber", sagt die Soziologin und deutet auf einige prächtige Familiengrüfte, in denen Generationen von Berliner Familien ruhen. "Die Blutsverwandten liegen ja auch alle beisammen. Und bei uns Lesben sind es eben dann eines Tages die Wahlverwandten."

Dass heterosexuelle Männer sich hier nicht um ein letztes Ruheplätzchen bewerben brauchen, ist klar. Aber wie schaut es mit homosexuellen Männern aus? Dürfen die vielleicht unter den Schwestern ruhen?

Die Antwort ist eindeutig, nämlich: Nein. Erstens gebe es für Schwule ohnehin schon eigene Friedhöfe, meint Osterland. Und zweitens solle der Friedhof ein Statement für lesbisches Leben und Lieben sein. Osterland: "Wenn von Homosexualität die Rede ist, geht es ohnehin fast immer um Männer."

Nach den Vorbereitungen für den Friedhof stecken die Frauen jetzt, da er eröffnet ist, allerdings ein wenig in der Zwickmühle. Sie wollen beim ersten Begräbnis ein gemeinsames Fest feiern. Andererseits: Den Tod wünscht natürlich keine Schwester der anderen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 9.5.2014)