Wien - Es wird zwar nicht die gesamte Musikgeschichte durchschritten; die Stilvielfalt bei René Staars Time Recycling op. 22n ist dennoch beachtlich: Im Wiener Musikverein, beim philharmonischen Nikolai-Konzert, setzt die Uraufführung ruppig an, bis die Streicher - klanglich düster - eine Struktur etablieren, um die sich Bläser und Schlagwerk in weiterer Folge kommentierend gruppieren. Man vernimmt Verwandtschaften zur Zweiten Wiener Schule und hört auch Gesten der späteren Moderne (repetitive Patterns, kollektive Glissandi), um im Finale eine unerwartete Wendung zu erleben.

Hier werden die Philharmoniker mit Dirigent Semyon Bychkov zum Salonorchester, regelrecht auch - durch rhythmische Tanzmunterkeit - zu Verwandten des Simón Bolívar Orchestra, dessen herzliche Showelemente ebenso zur diskret-humorigen Anwendung kommen. Time Recycling - eine schillernde Reise von der Schummrigkeit der Moderne zum Licht der Unbeschwertheit. Schade nur, dass die Stilcharaktere einander mitunter abrupt ablösen. Ein weniger sprunghaftes Herauswachsen der Stilpartikel aus den vorhergehenden hätte dem Werk weitere Subtilitäten verliehen.

Ebenfalls ein Hort des Farbenreichen Franz Schmidts Zweite Symphonie Es-Dur: Das spätromantische Werk zeugt von profundem Handwerk, das im Festlichen ebenso seinen Ausdruck findet wie in dramatischen Verdichtungen des finalen Satzes, den beschwingten Episoden des dritten oder jenen bisweilen auftretenden harmonischen Zuspitzungen, die auf tonalitätsdehnende Abstraktion setzen. In der respektablen Umsetzung ist die Werkqualität gut aufgehoben; Bychkov ist ein engagierter Advokat jener stilistischen Idiome, die das Opus elegant verschmilzt. Ein Hauch mehr analytischen statt emphatischen Zugangs hätte den bisweilen opulenten Strukturen allerdings mehr Klarheit verliehen. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 19.5.2014)