Der Matteottiplatz in Wien Ottakring um 1930.

Foto: Wien Museum

Wien - Einander fern und doch nah waren jene Besucher, die am Samstag trotz Schlechtwetters zur Eröffnung des Festivals Soho in Ottakring gekommen waren: Am Eingang wurden Funkkopfhörer verteilt, über die man Ansprachen, Interviews und Musik direkt ans Trommelfell geliefert bekam. Das großteils eher in sich gekehrte Publikum wandelte durch die ehemaligen Räumlichkeiten des Elektropathologischen Museums in der Gomperzgasse - wohin es vom Regenwetter vertrieben worden war.

An sich wäre im Rahmen von "Sandleiten auf Draht" ein Kopfhörer-Spaziergang durch den Ottakringer Sandleitenhof geplant gewesen. Dessen 90-jährige Geschichte steht heuer im Mittelpunkt des Festivals. In seiner 13. Auflage findet dies damit erstmals nicht im Brunnenviertel statt.

Kuratiert wurde das bis Ende Mai dauernde Programm aus Konzerten, Filmen, Ausstellungen, Diskussionen oder Workshops von den Künstlern Ula Schneider und Hansel Sato. Ein Ziel des Projektes ist es, die Geschichte dieses größten Gemeindebaus des Roten Wien unter Einbeziehung der Bewohner neu zu schreiben.

Für die Eröffnung engagierte man mit Oliver Hangl einen Experten in Sachen Gewinnung neuer Perspektiven auf Gewohntes. Der Wiener Performancekünstler ist bekannt für sogenannte "Guerilla Walks" durch öffentliche Räume. Das Konzept seiner Entdeckungstouren: Sämtliche Teilnehmer bekommen Kopfhörer aufgesetzt und befinden sich dann quasi mitten in einer Live-Radiosendung. Hangls Kunstgriff besteht darin, die Isolation, die man üblicherweise mit Kopfhörern verbindet, nutzbar zu machen.

Seine Idee ist schlicht, aber folgenreich: Während man den Gedanken der Moderatoren lauscht, bleibt man mobil, ohne Verständnisprobleme zu bekommen. Demokratischerweise darf man sich das Bild zum Text selbst suchen, kann aber auch jederzeit mitreden. Während man zum Beispiel am Samstag den Ausführungen eines Historikers zum Sandleitenhof lauschte, hatte man die Möglichkeit, gleichzeitig durch eine kleine Schau zu kommunalem Wohnbau in Lima zu gehen. Bei Informationsüberschuss konnte man leicht durchschnaufen.

"Live im Kopf"

Das Kopfhörerkonzept bringt es mit sich, dass nicht nur die Zuhörenden mehr "bei sich" sind, sondern auch die Sprechenden weniger im Rampenlicht stehen müssen. Man hat sie "live im Kopf". Im akustisch stark halligen Keller des Elektropathologischen Museums wäre es mitunter schwer gewesen, dem 1922 geborenen Zeitzeugen zu folgen, der wort- und geistesgewandt vom Elend im Gemeindebau und den politischen Wirren der 1930er-Jahre erzählte.

An einer "Oral History" versucht sich unterdessen auch die Installation Klingende Erinnerungen: Maria Tunner und Johannes Pobitzer zeichneten Wortspenden von Zeitzeugen auf. Um sie zu hören, muss man Kühlschränke öffnen, in denen sich Lautsprecher befinden. Das Projekt ist liebevoll gemacht, auch wenn zuweilen nicht klar ist, wieso elektronische Musik die Erzählungen unverständlich macht.

Einen Vorgeschmack auf die DIY-Workshops des Festivals gaben Kinder, die auf "Fahrzeugen" aus alten Möbelstücken zwischen den Besuchern herumkurvten. Zum Tanzen lädt ein Raum ein, der ganz der Jugendbewegung der "Schlurfs" gewidmet ist. (Roman Gerold, DER STANDARD, 20.5.2014)