Bild nicht mehr verfügbar.

Diverse Bühnenkostüme von David Bowie: Der "Thin White Duke" wird gerne als Pop-Chamäleon beschrieben.

Foto: APA/EPA/JOERGÜCARSTENSEN

David Bowie ist wohl der berühmteste Berliner nach John F. Kennedy und Marlene Dietrich. 1976 kam er in die Mauerstadt. Die Atmosphäre entsprach ihm. Hier war er plötzlich nicht mehr außerirdisch, sondern einer unter vielen Versprengten. Hier konnte sogar ein Alien eine Adresse haben: Hauptstraße 155. In Berlin gab es nämlich in den 1980er-Jahren keine Ground Control, sondern viele autonome Zonen. Bowie konnte sich zwischen ihnen gut bewegen. Denn Berlin, die Stadt mit der Schnauze, hat ein demokratisches Verhältnis zu Berühmtheiten. Sollen sie mal, sagt man hier gern.

Fast 40 Jahre später kehrt Bowie nach Berlin zurück. Seine Karriere hat so gut funktioniert, dass er gar nicht mehr persönlich kommen muss. Er schickt die Häute seiner Kunstfiguren zu einem großen Kostümball, den der Martin-Gropius-Bau mit der Ausstellung David Bowie ausrichtet.

Seit Dienstag drängen sich in der engen Architektur der materialreichen Schau die Massen und lassen sich mit ihren Audioguides die Fetzen zahlloser Hits in die Ohren blasen. Die Vermarktung unter "Bowie in Berlin" ist allerdings ein wenig missverständlich. Denn es geht nur am Rande um die paar Jahre, die Bowie tatsächlich in der Stadt war und die er auch dazu nützte, um die drei legendären Alben Low, Heroes und Lodger zu produzieren.

Dawid Bowie ist ein reisendes Exhibition-Event, das den ganzen Karriereweg des Weltstars nachzuzeichnen versucht und das mit seinem Titel auch das wohl größte diesbezügliche Ereignis in Berlin zitiert: Moma in Berlin. Damals landete eine Weltinstitution in der Stadt, dieses Mal ist es wieder genauso, nur mit dem Unterschied, dass die Institution ein einzelner Star ist. Der es allerdings geschafft hat, und das ist die wichtigste "These" von David Bowie, die Popkultur als solche neu zu formatieren. Der Begriff Pop war ja noch kaum in der Welt, da wurde er auch schon umgedeutet. Das war das Verdienst eines Mannes, den Bowie 1996 in Julian Schnabels Film über den Maler Basquiat gespielt hat: Andy Warhol.

Seit Warhol ist Pop auch sein eigenes Gegenteil, nämlich Kunst. Strategien des Elitären und des Egalitären laufen in der Pop-Art durcheinander. Und David Bowie übernahm diese bewusste Ambivalenz in jeder Hinsicht in ein Werk, das vom Basiselement des Popsongs aus alle Möglichkeiten des Multimedialen erkundete. Dass er im Lauf der Jahre 75.000 Objekte hinterließ, die heute sein Archiv ausmachen, bildet die Grundlage der Schau, die für das Victoria and Albert Museum in London kuratiert und dort zum ersten Mal gezeigt wurde. Aus dem Archiv kommen viele Dinge, die ein Leben so ausmachen, wie dieses nun einmal in eine ganze Welt eingebettet ist. Und so kommt es dann eben in der Ausstellung vor, dass ein Buch, etwa von Marshall McLuhan, gezeigt wird, zu dem es in der Legende heißt: "Für diese Themen interessierte David Bowie sich auch." Oder David Robert Jones, wie er eigentlich heißt. Bei den Büchern fragt man sich unwillkürlich, ob er eigentlich daheim auf der Couch beim Schmökern auch David Bowie war oder doch der Privatmann, von dem es hier so unergiebige Requisiten wie Schlüsselbunde zu sehen gibt.

Pop ist eine Kultur, in der alles zählt, nicht nur das Wahre, Gute und Schöne. Das musste auch die DDR begreifen, aus deren Archiv zwei Berichte der Staatssicherheit zu sehen sind, in denen die Beamten sich fragen, wie mit einem Konzert im Westen der Stadt umzugehen sei, das auch auf der sozialistischen Seite zu hören ist. Selten haben die Objekte eine so präzise Aussagekraft wie hier, wo es plötzlich nicht um Bowie, sondern um eines der Systeme geht, aus denen er sich in diverse Umlaufbahnen verabschiedet hat. David Bowie ist ein Artefakt aus Artefakten geworden. Irgendwo auf der Welt gibt es noch jemanden, der einmal diese Entäußerungen angestoßen und lange auch maßgeblich gesteuert hat. David Bowie ist aber schon einen Schritt weiter. Die Ausstellung braucht kein kreatives Subjekt mehr, weil die Popkultur hier im Leerlauf um sich selbst kreist. Den Ausgang findet man nur durch den Shop. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 21.5.2014)