Wien - Die seit Monaten andauernden Diskussionen rund um Personaleinsparungen an den Kliniken der Med-Uni Wien im AKH haben am Mittwoch mit einem Misstrauensvotum der Ärzte gegen Rektor Wolfgang Schütz bei einer Betriebsversammlung einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres befürchtet eine Eskalation, erklärte er Mittwochabend bei einem Hintergrundgespräch in Wien.

Mangelnde Wertschätzung

Der Standesvertreter, ehemals selbst Betriebsratsobmann an den Uni-Kliniken, betonte vehement den Ernst der Lage. "Die Stimmung ist sehr angespannt. Die Gesprächsbasis ist keine zu gute. Ich fürchte, dass es zu einem Eskalationsszenario kommt. Was die Kolleginnen und Kollegen am meisten stört, das ist die mangelnde Wertschätzung durch das Rektorat", sagte Szekeres.

Die Ärzte an den Wiener Universitätskliniken seien extreme Belastungen in Patientenversorgung in der Spitzenmedizin und in ihren wissenschaftlichen Aufgaben gewohnt. Da gehe es nicht um ein leichtes Berufsleben, seien sich alle Beteiligten bewusst, meinte der Kammerpräsident. Dafür müsse es aber auch Wertschätzung und Entgegenkommen geben. In den Diskussionen geht es um Diensträder-Kürzungen als längerfristige Konsequenz einer Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeiten der am Wiener AKH faktisch ausschließlich im Bundesdienst (Med-Uni Wien) stehenden Ärzte.

Mangelnde Sensibilität

Szekeres sieht insgesamt ein großes Manko in Politik und Verwaltung, was die Sensibilität der aktuellen Entwicklung in der österreichischen Ärzteschaft angeht. "Die Zahl der Medizinstudenten nimmt ab. Die 25 Prozent ausländische Studenten gehen nach dem Studium weg. Wir haben in Wien keine Wartezeiten mehr auf die Turnusausbildung. Und in den nächsten Jahren geht ein erheblicher Prozentsatz der Ärzte in Pension."

Ein Ärztemangel sei daher bereits jetzt absehbar. Doch die Politik negiere das bisher, so Szekeres. Dabei zeigten sich die Auswirkungen längst nicht mehr bei den Landärzten und der ärztlichen Versorgung in Randregionen, sondern auch bereits in Wien. "2013 gab es in Wien 48 Ausschreibungen für Allgemeinmedizin-Kassenstellen. Keine Bewerber gab es für sieben Stellen, bei zehn Stellen nur je einen Bewerber." Viele Ärzte würden wegen der schwierigen Situation in der Kassenmedizin auf einen Vertrag verzichten und einfach als Wahlärzte arbeiten.

Lawinenalarm

Ein zusätzliches Schlaglicht auf die Situation warf das von der Wiener Ärztekammer im März dieses Jahres veranstaltete Praxis-Abmeldungsseminar für Kassenärzte, die in nächster Zeit in Pension gehen wollen. "Wir haben in Wien 1.800 Kassenärzte. An dem Seminar haben rund 220 teilgenommen." Da komme eine Lawine auf das Gesundheitswesen und das System der Kassenmedizin zu. Man habe auch immer mehr Schwierigkeiten bei der Besetzung des Ärztefunkdienstes, bei dem die mit dem eigenen Auto von Patient zu Patient fahrenden Ärzte pro Stunde brutto 37 Euro verdienten.

Verschärft wird die absehbare Problematik laut dem Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer, Thomas Holzgruber, auch durch naturgemäße Trägheit des Systems. "Die Ausbildungsdauer für einen Arzt beträgt mindestens neun Jahre." Die demografische Entwicklung ist absehbar.

Auch die Wiener Gesundheitspolitik dürfte sich auf einen härteren Konkurrenzkampf um Ärzte - zum Beispiel für Krankenhäuser - einstellen müssen. "In Vorarlberg liegt das Einkommen für Turnusärzte bei 70.000 Euro im Jahr", sagte Szekeres. Dort hätte man die Gehälter und sonstigen Leistungen bereits angehoben. Ein Vorarlberger Schwerpunktkrankenhaus hätte für einen Oberarzt für die Unfallchirurgie bereits ein Bruttogehalt von mehr als 110.000 Euro pro Jahr angeboten, plus eine günstige Kinderbetreuung und die Begleichung von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten von bis zu 10.000 Euro. (APA, 22.5.2014)