Konrad Adenauer wird der lakonische Satz "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" zugeschrieben. So hat der deutsche Bundeskanzler das zwar wohl nie gesagt, sehr wohl aber findet sich in einer autorisierten Biographie über den CDU-Politiker das Zitat: "Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden.“

Es ist das Zitat zum Tag, um Gabriele Heinisch-Hoseks (SPÖ) Faible für politische U-Turns zu beschreiben. Nicht einmal drei Monate hielt die Entscheidung der Unterrichtsministerin, Österreichs Teilnahme an der nächsten Pisa-Studie 2015 abzusagen. Österreich bekommt eine Ausnahmegenehmigung der OECD, die für die Studie notwendigen Feldtests im selben Jahr durchzuführen, also die Feldtests im Frühjahr, die eigentlichen Pisa-Tests im Herbst 2015.

Der offizielle Grund für Heinisch-Hoseks Pisa-Stopp war das vermeintliche Datenleck im Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie), das sich mittlerweile nach Ermittlungen des Bundeskriminalamts als mutmaßlich kriminelle Manipulation entpuppt hat. Abgesehen davon, dass das von Heinisch-Hosek vorgebrachte Argument der Datensicherheit im Zusammenhang mit der Pisa-Studie sachlich einfach falsch war, weil es sich dabei um eine vollanonyme Stichprobentestung handelt, schien es damals, Anfang März, politisch offenbar opportun und bequemer, die Pisa-Studie kurzerhand und quasi handstreichartig - ohne die Warnungen der Experten aus der Community der Bildungsforscher des Landes zu hören - abzusagen. Kostet weniger - Geld und politischen Ärger bei der Präsentation...

Der Pisa-Ausstieg war eine bildungspolitisch verhängnisvolle Fehlentscheidung. Diese taugte weder, die akute Aufregung um ein "Datenloch", das - von einigen Medien auch unverantwortlich groß aufgeblasen und absolut realitätsverzerrend, ja, manipulativ dargestellt - offenbar auch alle Vernunft und Sachkenntnis zu verschlucken drohte, zu beruhigen. Heinisch-Hoseks Panikreaktion damals hätte Österreich vor allem für Jahre aus der internationalen Bildungsforschung hinauskatapultiert und den Boden für wissenschaftliche Vergleichbarkeit entzogen.

Datenbasierte bzw. faktenbasierte Bildungspolitik ist aber genau das, was ein Land, in dem Bildungspolitik so dermaßen ideologisch aufgeladen und überhitzt ist, dringend braucht. Wissend, dass Pisa misst, was es misst - und vieles eben nicht. Aber das, was es misst, ist wichtig, um zu sehen, wo das Schulsystem funktioniert, und wo nicht. Dass die Konstruktion der Pisa-Studie nicht "Bildung" misst, sondern "nur" spezifische, sehr genau definierte Fähigkeiten, die Jugendliche in ihrem Leben, egal, in welchem Land der Welt, brauchen, um zur Teilhabe an der Gesellschaft, am Alltagsleben, an der Demokratie befähigt zu sein, ist ohnehin klar. Diese Einwände von Kritikern gegen die Erklärungsweite, die die Pisa-Studie beanspruchen kann, sind berechtigt, aber sie genügen nicht, um das, was die Studie leisten kann und will, zu diskreditieren.

Entscheidend ist der Umgang mit dieser größten internationalen Schülervergleichsstudie. Und sich diesem Vergleich zu stellen - und dann auch bildungspolitische Konsequenzen zu ziehen - ist ein erster guter Schritt nach den wirklich verkorksten ersten fünf Monaten von Heinisch-Hoseks Amtszeit im Unterrichtsministerium. Dieser U-Turn jetzt, dieses abrupte Herumreißen des Steuers, war durchaus riskant für die schwer unter Druck geratene Ministerin. Einen Fehler, immerhin einen, auf offener politischer Bühne zuzugeben, ist schwerer als Stärke simulierende "Basta"-Politik - aber es war richtig, das zu tun. Und jetzt bitte den Reset-Knopf drücken und anfangen mit ernsthafter Bildungspolitik. Es gibt genug zu tun. (Lisa Nimmervoll, derStandard.at, 24.5.2014)