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Hinter der transparenten Zeltwand des Khan Shatyr hat der britische Architekt Sir Norman Foster ein Einkaufszentrum versteckt.

Foto: Corbis / Jane Sweeney

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Ebenfalls von Sir Norman Foster entworfen wurde diese Pyramide als "Palast für Frieden und Versöhnung". Eine nette Idee in einem vom Autoritarismus geprägten politischen System wie dem kasachischen.

Foto: Reuters /SHAMIL ZHUMATOV

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Und aller guten Dinge sind drei: Der "Fußballpokal" von Foster namens Bajterek. Laut offizieller Version stellt er eine Pappel dar, in die der mythische Vogel des Glücks, Samruk, ein goldenes Ei gelegt hat

Foto: Reuters /SHAMIL ZHUMATOV

Anreise: Direktflug von Wien nach Astana etwa mit Austrian.

Unterkunft: zum Beispiel das Hotel Rixos President, sehr zentral gelegen, Doppelzimmer ab € 330. Generell hohe Zimmerpreise, am besten über Hotelportale im Internet Preisvergleiche einholen.

Grafik: DER STANDARD

Steppe, Steppe, Steppe. Endlose Steppe. Dann ein paar wie von Kinderhand hingewürfelte Bauklötzchen, aus großer Höhe fallengelassene Legosteinchen. Nein, das kann sie doch nicht sein, "die Hauptstadt", denkt man beim Anflug. Aber nichts anderes heißt Astana auf Deutsch. 1998 wurde sie vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew so getauft, nachdem sie seit ihrer Gründung im Jahr 1830 als russische Festung Akmolinsk bereits viele, auch weniger präsentable Namen wie Aqmola - "das weiße Grab" - hatte.

Ein Hauch von Utopie weht über der Steppe, ein zuerst undefinierbarer aufklärerischer Geist. Man fühlt sich unvermittelt an Stiche aus der Zeit der Französischen Revolution erinnert, die Bauten für eine geplante "ideale Stadt" darstellen. Oder wie an einem Ort, an dem schon einmal in vorauseilendem Gehorsam die Grundsteine gelegt wurden, für das, was da noch kommt: Im Jahr 2017 wird die Hauptstadt Kasachstans eine Weltausstellung ausrichten. Architekten wie Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au oder das UNStudio sind derzeit noch im Rennen, um die "Ergänzungsarbeiten" durchzuführen. Denn die vorhandenen Strukturen erinnern bereits jetzt ein wenig an ein Expo-Gelände.

Ein Palast für die Gleichberechtigung

Da ist zunächst einmal die Pyramide des britischen Architekten Sir Norman Foster. Ungewöhnlich allein schon ihre Form, denn aufgrund der schmalen Basis und der steilen Spitze ähnelt sie mehr ihren unbekannteren südsudanesischen als ihren weltberühmten ägyptischen Schwesterbauten. Nicht weniger bemerkenswert ihre Bestimmung: Als "Palast für Frieden und Versöhnung" soll sie das globale Zentrum für Gewaltlosigkeit, religiösen Dialog und Gleichberechtigung werden. Eine nette Idee in einem vom Autoritarismus geprägten politischen System, das sich zwar als säkularer, demokratischer und sozialer Rechtsstaat definiert, aber ganz auf die Bündelung der Kompetenzen bei seinem Präsidenten zugeschnitten ist.

Auf dem Weg durch die Stadt begegnet man dann bald zwei goldummantelten, konischen Türmen, für die man überhaupt kein Vorbild kennt und auf die man sich keinerlei Reim machen kann, sowie einer riesigen, überdimensionierten Kopie des Fifa-World-Cup-Pokals. Dabei hat sich Kasachstan noch nie für eine Fußball-WM qualifiziert.

Ein Anagramm von Satana

Nichts wäre jetzt schlechter, als Antworten auf diese architektonischen Ungereimtheiten im Internet suchen zu wollen. Denn das für Verschwörungstheorien bekanntlich nicht unempfängliche Netz vermeint in Astana - das konsequent als Anagramm von Satana gedeutet wird - nicht nur das Headquarter der Illuminati - Dan Brown, schau obi! -, sondern gar die Hauptstadt des - Vorsicht, setzen Sie sich nieder - Antichristen zu erkennen.

Da gegen derlei Panikmache nur das eigene Erleben hilft, eilt man also rasch auf den 97 Meter hohen, ebenfalls von Sir Norman Foster entworfenen Fußballpokal namens Bajterek, von dessen oberster Plattform man einen 360-Grad-Rundblick auf die Stadt genießen kann. Der Ort ist beliebt bei Hochzeitspaaren, Maturanten, Turniergewinnern und Provinzkasachen, die hier Erinnerungsfotos machen.

Die linke Hand für den Präsidenten

Zu diesem Ritus gehört es, dass man seine linke Hand in den - auf den ersten Blick riesig erscheinenden, im direkten Kontakt dann aber doch menschliche Größe aufweisenden - Handabdruck des Präsidenten legt. Wenn man den Akt der Huldigung vollzieht, befindet man sich in der genauen Mitte einer Achse, die von der Pyramide über das "Weiße Haus", den Präsidentenpalast, und die beiden ihn flankierenden goldenen Türme bis zum Khan Shatyr, Fosters gigantischer Plexiglas-Jurte, führt. Dem Wiener Besucher erscheint Letztere ein wenig wie ein besoffenes Rinterzelt, tatsächlich verbirgt sich unter der atemberaubenden Außenhaut aber ein hundsordinäres Einkaufszentrum.

Die anonymen Paranoiker aus dem Netz sehen nun in der Pyramide das okkulte und esoterische Zuhause Luzifers schlechthin. In den seltsamen Zwillingstürmen, denen der Architekt die Namen Boas und Jachin - so hießen die beiden Säulen am Eingang des Salomonischen Tempels - gegeben hat, erblicken sie Freimaurer-Symbole. Und im Bajterek selbst - der laut offizieller Version eine Pappel darstellt, in die der mythische Vogel des Glücks, Samruk, ein goldenes Ei gelegt hat - vermuten sie das geheime Kraftzentrum eines neo-heidnischen Sonnenkults, der wiederum gleichbedeutend mit der Anbetung des Antichristen ist.

Die erste Mehrzweckhalle

Sollte Astana tatsächlich seine Hauptstadt sein, dann lebt er hier jedenfalls ziemlich gut. Alles ist neu, alles ist sauber, Armut nicht sichtbar. Alles ist noch so frisch, dass bei einer Stadtrundfahrt gar die "erste Tankstelle", der "erste Supermarkt" und die "erste Mehrzweckhalle" stolz vorgeführt werden wie anderswo römische Ruinen. Denn die moderne Architektur ist natürlich nicht überall von der gleichen symbolischen Qualität wie in der "Achse des Teufels". So gibt es etwa Gebäude, die wie die kapitalistische Variante eines stalinistischen Kulturpalasts wirken oder wie ein mit Wachstumshormonen gefüttertes Bolschoi-Theater.

Dafür kann man sich abends in einer Reihe erstklassiger Restaurants stärken. Von den internationalen seien das georgische, kitschig eingerichtete, aber unfassbar gute "Tiflis" und das japanische "Disan" erwähnt, unter den kasachischen das in einer großen Jurte untergebrachte "Farhi". Vor allem - Tierschützer und Teenies weghören - Pferdefleisch ist hier unglaublich populär, in allen Variationen, darunter das lasagneähnliche Nationalgericht Beschbarmak.

Und es lohnt es sich, zu so schmackhaften autochthonen Getränken wie Kamelmilch zu greifen. Großes Heils- und Linderungsmögen wird ihr zugesprochen, weshalb Kasachstan sie nun auch in die ganze Welt exportiert. Gut so, denn wenn der Antichrist in Astana ständig Kamelmilch zu trinken bekäme, na dann Gnade uns Gott!

(Robert Quitta, DER STANDARD, Rondo 30.5.2014)