Erwin Schrödingers Gedankenexperiment, das Unvorstellbare, war immer wieder Grund für Witze und Postkarten wie diese: Die Katze ist in diesem Fall tot und lebendig. Doch wer findet sie?

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In der modernen Naturwissenschaft wird die Formalisierung auf die Spitze getrieben. Aktuelle Erkenntnisse zu versprachlichen ist oft kein einfaches Unterfangen. Die Schriftstellervereinigung PEN-Club wollte es kürzlich im Presseclub Concordia in Wien dennoch versuchen. Beim Thema "Quantenphysik populär" hat man sich dort vor allem um die Verbindung von den Theorien der Quantenphysik mit der Philosophie bemüht.

Mazumdar war genauso unter den Vortragenden wie Michael Esfeld, Professor für Philosophie an der Universität Lausanne, der seine Ausführungen mit einer grundsätzlichen Frage begann: "Was ist Materie?" In der klassischen Physik sei die Antwort einfach: Die Materie besteht aus Atomen. Der Atomismus kam bei den Vorsokratikern auf, mit Newton setzte er sich schließlich auch in der Wissenschaft durch.

In der Quantenphysik ist die Frage nach der Materie nicht so einfach zu beantworten. Die Theorie entstand ja um 1900 mit der Entdeckung, dass Energie in Paketen auftritt - also "quantisiert" - und nicht, wie die Physiker zuvor angenommen haben, in völlig beliebiger Größe.

Welle und Teilchen

Welle und Teilchen sind in der klassischen Vorstellung sich gegenseitig ausschließende Konzepte: Etwa ist ein Teilchen an einem Punkt im Raum lokalisiert, die Welle jedoch ausgedehnt. Da die Quantenphysik ihren Objekten sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften zuschreibt, fallen die Materiemodelle deutlich komplexer aus - Ausdrücke wie "Welle-Teilchen-Dualismus" oder Komplementarität versuchen, die widersprüchlichen Konzepte auf einen Begriff zu bringen und verwirren damit sicherlich so manch einen Leser.

"Mit der Quantenphysik haben wir einen Formalismus, der uns erlaubt, Wahrscheinlichkeiten für Messergebnisse auszurechnen, aber der sagt uns nicht, was Materie ist", sagte Esfeld. Der entscheidende Unterschied zwischen klassischer Physik und Quantenphysik liegt für Esfeld in den Eigenschaften der Materie, die dafür zuständig sind, damit Gesetze beschreiben zu können.

Um in der klassischen Physik die Bewegungsbahn eines Teilchens auszurechnen, reicht es, wenn man etwa dessen Masse und Geschwindigkeit kennt - diese Eigenschaften kommen jedem Teilchen für sich genommen zu. In der Quantenmechanik betreffen die Eigenschaften, um Bewegungsbahnen zu berechnen, aber nie nur ein einzelnes Teilchen. So wird in der Quantenmechanik berücksichtigt, dass sich das Teilchen je nach experimenteller Anordnung unterschiedlich bewegt.

Eine Konsequenz daraus ist, wie Mazumdar sagte, dass sich in der Quantenphysik "die Beobachtung selbst als ein physikalischer Prozess meldet, der die beobachtete Wirklichkeit verändert". Wem das zu kompliziert klingt, dem hilft vielleicht die Erinnerung an Niels Bohr: Er war einer der Pioniere der Quantenphysik und hätte das als eine "neue Fassung des alten philosophischen Dualismus von Subjekt und Objekt interpretiert", sagte Mazumdar. Mit der Quantenphysik scheitere somit der Anspruch der klassischen Physik, die Sprache vollständig zu formalisieren und dabei alles Subjektive zu entfernen.

In Anlehnung an die Wissenstheorien von Michel Foucault meinte Mazumdar schließlich, dass die Einheit des Wissens nur hergestellt werden kann, wenn verschiedene Formen der Sprache koexistieren können - ähnlich der komplementären Natur der Quantenobjekte, die Wellen- und Teilcheneigenschaften vereinen. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 28.5.2014)