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Mathematik für Roboterarme, die punktgenau greifen.

Foto: AP Photo/Marcus Brandt

Wien – Der Roboterarm manövriert das Werkzeug, das an seinem Ende montiert ist, blitzschnell an einen bestimmten Ort, um dort zu schrauben, zu schweißen oder zu bohren. Mehrere durch Gelenke verbundene Glieder müssen dabei so positioniert werden, dass das Ende des Arms in einem bestimmten Winkel auf einen bestimmten Punkt im Raum zeigt. Die Berechnungen einer solchen Bewegung, die von den Eigenschaften der beteiligten Dreh-, Kugel-, Schub- oder Schraubgelenke abhängig ist, gehören nicht zu den trivialen mathematischen Problemen.

"Die nichtlinearen Gleichungen, die sich daraus ergeben, sind relativ kompliziert und nicht mehr so einfach zu lösen", sagt Josef Schicho. Der Mathematiker, der am Hagenberger Research Institute for Symbolic Computation (Risc) der Johannes-Kepler-Universität (JKU) und am Linzer Johann Radon Institute for Computational and Applied Mathematics (Ricam) forscht, versucht einfachere Wege zu finden, um derartigen Problemen aus dem mathematischen Feld der Bewegungslehre, der sogenannten Kinematik, beizukommen. Wege, auf denen sich vielleicht nicht alle theoretisch möglichen Fälle errechnen lassen, aber die allen praktischen Erfordernissen genügen. Neben Anwendungen in der Robotik könnten derartige Berechnungen auch menschliche und tierische Bewegungen und sogar bestimmte chemische Molekülbindungen mathematisch abbilden.

Eines der Probleme, dem sich Schicho widmet, geht bis auf James Watt zurück. Für seine Dampfmaschine konstruierte Watt einen einfachen Gelenkmechanismus, der die durch Dampf verursachte "lineare Bewegung in eine Drehbewegung umsetzte", erklärt der Wissenschafter. 1864 legte Charles-Nicolas Peaucellier mit seinem Koppelgetriebe einen Gelenkmechanismus aus mehreren verbundenen Stangen vor, der eine Kreisbewegung in eine exakte Geradebewegung umwandelt. Man könnte damit also eine Maschine bauen, bei der man an einer Kurbel dreht, um eine gerade Linie zu zeichnen.

Elegante Lösung

Vor allem Mathematiker zeigten sich von Peaucelliers eleganter Lösung für das Problem inspiriert. Einer von ihnen, Alfred Kempe, fand einige Jahre später einen Weg, wie nicht nur für Linien, sondern für jede mathematische Kurve ein Gelenksmechanismus zu erstellen sei.

Schicho: "Theoretisch wäre es also möglich, einen rein mechanischen Gelenkmechanismus zu bauen, mit dem man mit dem eigenen Namen unterschreiben kann."

Diese mathematische Errungenschaft, jede beliebige Bewegung in eine Drehbewegung um feste Achsen zerlegen zu können, hat Schicho mit seinen Kollegen am Risc nun in einer Weise modifiziert, sodass sich der Rechenaufwand stark verringert. Dahinter steht die Übersetzung einer Bewegung in die Sprache der Polynome, also mathematischer Terme, die eine Kurve definieren.

Schnell, praktisch und flexibel

Schichos Methode zerlegt diese Polynome in weitere sogenannte Bewegungspolynome. "Wir haben einen Bereich von Polynomen entwickelt, deren Produkt der Hintereinander-Ausführung einer Bewegung entspricht", sagt Schicho. "Die Faktorisierung der Polynome macht das Ganze schnell, praktisch und flexibel." Die Methode beinhalte zwar nicht alle Bereiche, die von Kempes Formel erfasst wurden. "Man kann aber immer noch mit seinem Namen unterschreiben."

Die Forscher haben ihre Art, Polynomgleichungen zu zerlegen, in ein Computerprogramm gegossen. Um die Akkuratheit zu testen, haben sie den Computer mit einem aus Modellbausteinen gefertigten Gelenksmechanismus verbunden, der die vorgeschriebenen Bewegungen tatsächlich genau nachvollzog. "Noch ist unsere Berechnungsmethode nicht industriell relevant", sagt Schicho. "Aber das könnte werden." (pum, DER STANDARD, 28.5.2014)