Zuerst einmal: Respekt vor der Führungsetage der Salzburger Gebietskrankenkasse. Die Entscheidung, der Gedenktafel für 14 NS-Opfer in Goldegg auf einem Kassengrundstück "Asyl" zu gewähren, zeugt von Haltung. Die Ermordeten verloren im Rahmen einer SS-Aktion gegen eine kleine Gruppe Wehrmachtsdeserteure am 2. Juli 1944 oder in den Monaten danach ihr Leben. Es zeugt aber auch von Bewusstsein, was "Selbstverwaltung" bedeutet. Die Sozialversicherung sei 1945 gegründet worden, um durch soziale Absicherung totalitäre Regime zu verhindern, sagt der Salzburger Kassenobmann Andreas Huss.

Es tut gut zu wissen, dass es noch Sozialversicherungsfunktionäre mit diesem Bewusstsein gibt. Es tut aber auch gut zu wissen, dass die Verlegung des Mahnmals keine Einzelaktion ist . Im Kassenvorstand hatten sich auch die schwarzen Arbeitgebervertreter für die Verlegung des Denkmals ausgesprochen. Obwohl damit der Goldegger ÖVP-Bürgermeister ziemlich bloßgestellt wird.

Alles andere rund um die monatelang heftig geführte Debatte ist freilich weniger erfreulich und zum Schämen. Da wollte eine heute 74-jährige Frau für ihren von den Nazis ermordeten Vater und 13 weitere Tote einfach eine Gedenktafel errichten. Sie ist die Tochter des 1944 im KZ Mauthausen ermordeten Karl Rupitsch. Dieser - es gibt kein Grab - war Anführer der kleinen Deserteursgruppe in Goldegg, die von einer tausend Mann starken SS-Todesschwadron gefasst wurde. Gemeinsam mit einem renommierten Historiker und einem Bildhauer wurde für die Gedenktafel auch ein Platz gefunden: im Hof des Schlosses Goldegg. Ebenerdig, bescheiden, privat finanziert.

Und dann passierte das, was NS-Opfern und deren Angehörigen hierzulande in tausendfacher Abwandlung bekannt ist: Der Bürgermeister will die Tafel "am Ort des tragischen Geschehens" verlegt sehen. Soll heißen: Wenn der Stein wirklich sein muss, dann möglichst versteckt, weit weg vom Ortszentrum. Nach dieser Logik müssten sich übrigens die ganzen Kriegerdenkmäler in Stalingrad oder in Verdun befinden und dürften nicht auf jedem zweiten österreichischen Dorfplatz stehen.

Der Obmann des lokalen Kulturvereins, Cyriak Schwaighofer – er ist gleichzeitig auch Klubobmann der Grünen im Landtag –, legte die Sache ein klein wenig differenzierter an. Es solle schon einen Gedenkstein geben, aber nicht jetzt, nicht zum 70. Jahrestag des Sturms auf die Verstecke der Wehrmachtsdeserteure. Zuerst müsse im Ort ein Dialogprozess gestartet werden. Der Blick vieler Goldegger sei noch nicht offen für den Todesmut der Deserteure, schreibt Schwaighofer in einem Gastkommentar in den "Salzburger Nachrichten", um einen Absatz darunter zu verlangen, dass man "mit entsprechender Sensibilität" den Versuch machen müsse, die Geschichte noch einmal zu hinterfragen. Man müsse "das Leid der Familien vor Ort wie das der Angehörigen von Deserteuren ernst nehmen".

Ob Schwaighofer das aus politischem Kalkül oder aus ehrlicher Überzeugung sagt, bleibt letztlich egal. Im Ergebnis gehört er damit zu den Behinderern des Gedenkens. Wollen wir wirklich warten, bis die letzten Angehörigen der NS-Opfer verstorben sind? Und was spricht eigentlich gegen eine Gedenktafel als Start für einen Dialog? Inhaltlich geht Schwaighofer vor jenen in die Knie, die die Sache mit den Opfern und den Tätern so gerne umdrehen. Am Beispiel von Goldegg wird das so transportiert: Es sei nur verständlich, dass Teile der Bevölkerung von dem Gedenkstein wenig begeistert sind, hätten doch die Deserteure mit ihrem Handeln Strafaktionen gegen das gesamt Dorf heraufbeschworen. Das ist die klassische Täter-Opfer-Umkehr. Und dagegen hilft nur eine klare Haltung. (Thomas Neuhold, derStandard.at, 29.5.2014)