Meister Wegner in seinem Ochsenstuhl aus dem Jahre 1960. Er ist einer von mehr als 3500 Entwürfen des Designers.

Foto: Hans J. Wegners Tegnestue I/S; Hatje Cantz

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"The Chair" erlangte durch die TV-Konfrontation zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon Berühmtheit.

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Da schwärmt die halbe Welt seit Jahrzehnten vom skandinavischen Design, aber sein Name lässt noch immer eine ganze Menge Achseln zucken: Hans J. Wegner. Natürlich kennt man den Dänen Verner Panton und seinen Panton Chair, selbstverständlich auch seinen Landsmann Arne Jacobsen samt Ameisen-Stuhl. Alvar Aaltos Bekanntheitsgrad ist auch kein kleiner. Gut, der war Finne, trotzdem! Hand aufs Herz: Hans J. Wegner? Der Name würde sich für die Millionenshow eignen, allerdings für die Millionenfrage. Dabei bestücken seine Sessel weltweit schicke Fresstempel ebenso wie Hochglanzfibeln.

Zu Ruhm und Ehre brachten es zumindest seine Entwürfe, allen voran der "Runde Stuhl", der nach seinem Fernsehauftritt 1960 in den USA nur noch "The Chair" genannt wurde und in noch viel größeren Stückzahlen als zuvor über den Teich geschippert wurde. Er prägte das Fernsehbühnenbild der ersten TV-Live-Konfrontation der Geschichte. John F. Kennedy und Richard Nixon hießen die Duellanten. Betrachtet man Studiofotos, sitzt Kennedy lässig souverän mit überschlagenen Beinen in Wegners reduziertem Holzsessel mit seiner fein geschwungenen Lehne. Daneben Nixon, der aussieht, als würden ihm die Knie schlottern. 70 Millionen sahen nicht nur das, sondern auch Wegners Sessel - eindeutig ein Wahlhelfer. Angeblich wurde der Sessel, der schon 1949 entworfen wurde, zu Kennedys Lieblingsstuhl.

"Nur ein guter Stuhl"

Geboren wurde Wegner 1914 in der dänischen Kleinstadt Tønder. Im Katalog zu der Wegner-Austellung "Nur ein guter Stuhl", die derzeit im Kopenhagener Designmuseum zu sehen ist, heißt es, Wegner konnte zeichnen und Scherenschnitte anfertigen, bevor er seine ersten Schritte machte. Nach der Schule arbeitete Wegner als Kunsttischler, studierte später an der Kopenhagener Kunstgewerbeschule und arbeitete dann für einen anderen Meister: Arne Jacobsen. An der Kunstschule lernte er übrigens den Designer Børge Mogensen kennen. Mit ihm teilt er nicht nur das Schicksal, außerhalb der Grenzen der Designszene und Dänemarks viel zu wenig gewürdigt zu werden, sondern auch das Geburtsjahr.

1950 gelang Wegner der Durchbruch, der Entwurf hieß "Y-Stuhl", ein schlichtes Holzmöbel, das durch seine gefinkelte Lehnenkonstruktion zu einer der Wegner-Ikonen wurde. Wegner auf zwei, drei Sesselhits festzunageln, wie dies bei manchen seiner Kollegen der Fall ist, hieße, ihm Unrecht zu tun. In seinem Nachlass, Wegner starb 2007, finden sich mehr als 3500 Möbelentwürfe, sagenhafte 500 davon gingen in Produktion. "Ach, könnte man im Leben nur einen einzigen guten Stuhl entwerfen - aber das geht eben nicht", sagte Wegner 1952. 40 Jahre später präzisierte er sein Statement. "Es ist, als wäre das mit 'dem Stuhl' einfach Unsinn. Denn den einen Stuhl gibt es nicht. Ich spüre, dass er immer weiter wegrückt, je mehr ich an ihm arbeite. Vielleicht aber auch nicht. Es lässt sich nichts Endgültiges schaffen. Das können nur die, die nicht verstehen, worum es geht. Ich meine immer, dass man es noch besser machen kann - vielleicht einfach nur mit vier geraden Stäben."

Perfektionssehnsucht

Wegners Entwürfe sind geprägt von einer unglaublichen Perfektionssehnsucht, von handwerklichen Meisterleistungen und großer Reduziertheit. Eine Reduziertheit, die er mit einer spielerisch leichten und mitunter auch organischen Formensprache in eine Richtung dreht, die seine Objekte so besonders macht. Auch als organischer Modernismus wird der Stil von Wegner bezeichnet. "Zeitlos" ist so ein Adjektiv, das Wegners Entwürfe ebenso unkündbar gepachtet zu haben scheinen. So abgegriffen der Begriff im Zusammenhang mit Design daherkommt, in diesem Fall ist ohne ihn nicht auszukommen.

Wegner, unter anderem mit dem Ehrendoktortitel des Royal College of Art in London bedacht, setzte sich, so perfektionssüchtig er auch war, nie nur mit dem Entwurf und der Fertigung auseinander. Immer war es auch die Seele des Möbels, die er hinterfragte. Die vielleicht treffendste Antwort auf die Frage nach dem Wesen eines Sessels fand Wegner mit folgenden Worten: "Ein Stuhl ist erst dann ein Stuhl, wenn sich jemand daraufsetzt." Betrachtet man das Werk Wegners, scheint dieser Gedanke den Meister keine Sekunde verlassen zu haben. Dass die Sache ganz so einfach weder war noch ist, wusste auch Ludwig Mies van der Rohe: "Es ist fast einfacher, einen Wolkenkratzer zu entwerfen als einen Stuhl." (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 6.6.2014)