Sonnenblumen gedeihen wo sie wollen und machen sich wenig aus den Beetplänen ihres Gartlers.

Illustration: Dennis Eriksson

Alle Jahre wieder kauft der Gartler Sonnenblumen; manchmal Jungpflanzen, öfters Samen. Immer wieder probiert er, an bestimmten Stellen im Garten Sonnenblumen gestaffelter Größe und mit unterschiedlichen Farben hochzuziehen. Und er verzweifelt dabei. Denn überall, wo er Sonnenblumen im Sommer meterhoch gedeihen sieht, ist der Boden trocken wie die Wüste, nicht existent, weil zubetoniert oder sonst wie vernachlässigt.

Ja gibt es denn das! Warum klappt das nicht bei ihm? Jede Form von Zuwendung wurde mit Abwendung, Kümmerwuchs und Brüchigkeit gedankt. Letzte Saison gab es bloß ein paar dürre Stängel mit mickrigen Köpfen, aber das war es schon. Denn der Garten, und darum geht es hier, hat Humor.

Bewusste Nachlässigkeit

Erstmals pfeift der Gartler auf die Anschaffung von Sonnenblumen. Er hat bereits Bougainvilleen und Hibiscus sinensis besorgt. Er gestaltet seine Beete trotzdem hübsch und durchdacht. Da er aber ein bewusst nachlässiger Unkrautzupfer ist und immer wissen will, wie denn die Pflanze aussieht, die da gedeiht, entdeckt er, quasi im Unterholz der beabsichtigt gedeihenden Frühjahrsblüher, jede Menge Sonnenblumenkeimlinge.

Sie sehen fit aus, sind für die Jahreszeit schon recht hoch, etwa beim dritten oder vierten Laubblattpaar, und sie tauchen überall dort auf, wo sie der wild wuchernde Kerbel und die ebenso alles überwuchernde Minze vor dem frühzeitigen Ausrupf beschützt. Der Garten hat eben Humor - das darf man nicht unterschätzen.

Subtile Pointen

Immer wieder schlägt der Garten einen Haken und liefert durch Unerwartetes seine Pointen. Nicht der laute Witz ist seine Sache, sondern die subtile Fröhlichkeit beim leisen Vorführen des Gartlers. Dieser stutzt, lächelt und freut sich über das Eigenleben seiner Kulturfläche. So entscheidet der Garten spontan, wo dieses Jahr die Sonnenblumen gedeihen sollen und macht sich wenig aus den Beetplänen seines Gartlers.

Wenn erfahrene Gartlerinnen und Gärtner im Sommer auf Besuch kommen, werden sie über die Pointe der Sonnenblumen still schmunzeln. Denn so, wie sich diese im Garten verteilt haben, hat noch nie ein bei Sinnen gewesener Gartler Sonnenblumen gesetzt. Und das ist der Moment, wo auch der Gartler Humor beweisen muss.

Der altersweise Gärtner nimmt sich und seinen Garten nicht allzu ernst, schmunzelt über die Eigeninitiativen der Pflanzen und fühlt sich dadurch seinem Grün noch viel verbundener. Denn gemeinsames Lächeln verbindet. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 13.6.2014)