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Trent Reznor und Nine Inch Nails, hier bei einem Auftritt in Mexico City im März, gastierten in der Wiener Stadthalle.

Foto: AP/Rebecca Blackwell

Wien - Wer ein Dimensionstor öffnen möchte, kann es mit einem spitzen Gegenstand versuchen. Der US-amerikanische Musiker Trent Reznor zum Beispiel setzt auf 229er-Nägel. So hieße sein Hauptprojekt übersetzt in den hiesigen Baumarktjargon, wobei Nine Inch Nails natürlich lässiger klingt. Bei der Abkürzung NIN hat man dann nicht nur die Macht der Symmetrie auf seiner Seite. Nine Inch Nails sind obendrein, im Gegensatz zu Messer, Gabel und Scher', auch für Kinder geeignet.

Reznor schaltete sich 1989 mit Pretty Hate Machine in den Stromkreis der Musikgeschichte ein. Seinen Ruf als Beherrscher elektronisch synthetisierter Finsternis hat Reznor seither mit sieben weiteren Alben gefestigt. In den 1990er-Jahren begegnete er einsaugenden Kräften auch leibhaftig in Form von Drogenmissbrauch und Depression. Nachdem der streitbare Musiker in den Nullerjahren mit alternativen Vertriebswegen experimentiert hatte, ging er 2009 auf Pause. Die nutzte er nicht nur für sein Trip-Hop-Projekt How To Destroy Angels, für die Filmmusik zu The Social Network holte er sich auch einen Oscar.

Am Montagabend gaben die Nine Inch Nails in der Wiener Stadthalle ihr erstes Konzert in Österreich seit fünf Jahren. Das im Vorjahr erschienene Album Hesitation Marks stand dabei aber nicht im Mittelpunkt. Reznor präsentiert auf der aktuellen Tour vielmehr ein buntes Best-of. Aus den Angeln gehoben hat es dabei kein Dimensionstor, was an Licht durch die Ritzen schimmerte, beeindruckte jedoch.

Wie OP-Lampen schweben die Lichteinheiten knapp über den Köpfen der vier Musiker, während das Konzert mit Me, I'm not und Copy of A eröffnet wird. Zwischen Beklemmung und Intimität schillert die Atmosphäre, in der sich Reznor kokett selbst seziert: "I'm just a copy of a copy of a copy / Everything I say has come before."

Sehen die Musiker zunächst noch aus wie Präparate in Flüssigkeit, so weitet sich danach vorübergehend der Bühnenraum. Zu maschinellen Beats gesellen sich Live-Drums. Der Schlagzeuger zeigt, wie man 229er-Nägel ohne Umschweife einschlägt.

Zwischen Downtempo und schnellen Breaks zieht die Band routiniert alle Register der Härte: Gitarren-Mitsing-Orgien wechseln sich mit Teilen ab, in denen nur noch das blanke Knochengerüst von Songs übrig ist. Noisiger Höhepunkt ist The Great Destroyer mit einem minutenlangen, schier epileptischen Anfall, der die Videowall ebenso betrifft wie den Soundmaschinenpark.

March of the Pigs, Closer, Sanctified, The Warning, Head Like A Hole - so lesen sich Auszüge aus der Setlist des Abends. Den Schluss machen The Day the World Went Away und Hurt: jener Song, dem eine fast übermächtige Coverversion von Johnny Cash zur Berühmtheit verhalf. (Roman Gerold, DER STANDARD, 11.6.2014)