Wien - Die Zeit drängt: Bis Ende Juni soll die gesundheitliche Primärversorgung zumindest auf dem Papier neu organisiert werden. Auf die Eckpunkte haben sich Ministerium, Länder, Sozialversicherungen sowie die Vertreter der Gesundheitsberufe bereits Ende März geeinigt: engere Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Personal; neue Organisationsformen von Ordinationen mit längeren Öffnungszeiten zur Entlastung der Ambulanzen; und eine bessere (elektronische) Vernetzung der verschiedenen Angebote.

Unstimmigkeiten

Nun, da es ans Eingemachte geht, mehren sich freilich die Dissonanzen. Laufend gibt es Verhandlungsrunden, gestern, Freitag, etwa zwischen Vertretern der Sozialversicherung und der Ärztekammer. Diese stieß sich zuletzt vor allem an einem Punkt, den man aus ersten Vertragsentwürfen herauslesen könnte: an der Aufweichung des Gesamtvertrags, den für die Kassenärzte derzeit die Ärztekammer mit der Sozialversicherung ausverhandelt. Stattdessen sollen Ärzte auch Einzelverträge bekommen oder pauschal abgegolten werden können - was freilich den Einfluss der Ärztekammer verringern würde.

Rund um Pfingsten gab es darum großes Getöse, wenngleich man im Gesundheitsministerium bemüht ist zu betonen, dass es sich bei der derzeit kursierenden Version lediglich um ein "Zwischenpapier" handle, in dem "manche Formulierungen politisch noch nicht ausgereift" seien. Verhandelt werde in den nächsten Wochen laufend, am 30. Juni sollen die Mitglieder der Bundeszielsteuerungskommission das Papier unterschreiben.

"Verstimmte" Ärzte

Bis dahin ist es freilich noch ein weiter Weg. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, sagte dem Standard am Freitag, es gebe derzeit "sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was Primary Health Care sein soll". Zwar seien die Ärzte grundsätzlich für die bessere Vernetzung zu haben; allerdings sieht Steinhart die wohnortnahe Versorgung gefährdet, wenn die Primärversorgung künftig verstärkt in Zentren stattfinden soll. Gleichzeitig bezweifelt er, dass längere Öffnungszeiten der Ordinationen die Patienten wirklich dazu bringen, weniger in die Spitalsambulanzen zu gehen.

Am System des Gesamtvertrags mit den Ärzten müsse man nicht rütteln, um neue Organisationsformen zu ermöglichen, findet Steinhart. Ob er wirklich glaubt, dass das geplant ist? Steinhart: "Sagen wir so: Man merkt die Absicht und ist verstimmt." (Andrea Heigl, DER STANDARD, 14.6.2014)