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Foto: ap/Sergei Chuzavkov

Der Gasstreit zwischen Moskau und der Kiew eskaliert. Seit Montag früh hat Russland seine Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt. Der Staatskonzern Gazprom kündigte an, künftig nur noch gegen Vorkasse zu liefern, weil die frühere Sowjetrepublik ihre Rechnungen nicht bezahlt.

Damit schürt Moskau auch in der Europäischen Union Sorgen vor Engpässen. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU.

Moskau versicherte zwar, die vereinbarten Gaslieferungen in die EU seien nicht betroffen, warnte aber trotzdem vor Problemen. Diese könnten entstehen, wenn die Ukraine für den Transit bestimmtes Gas für den Eigengebrauch abzweige.

Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht im Erdgas-"Pokerspiel" zwischen Russland und der Ukraine ein Zeitfenster von etwa drei, vier Monaten, um die bilaterale Krise politisch zu lösen. Durch die Krisen in der Ukraine und dem Irak müssten Gas und Öl nicht unbedingt teurer werden, meinte der Minister Dienstagfrüh im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio.

"Wir sind vorbereitet auf die Krisensituation, ich sehe aber die mittelfristige Situation nicht unproblematisch", so Mitterlehner zum Gaskonflikt. Kurzfristig könne man Erdgas über andere Leitungen einspeisen, auch die Speicher reichten fast für einen Jahresbedarf: "Wir werden auf jeden Fall bis in den Februar hineinkommen. Ich garantiere, das wird über den Winter gehen."

Politische Lösung

Er "garantiere aber auch", betonte der Minister, dass, "wenn wir nicht politisch auf der EU-Ebene mit der Ukraine eine Lösung zusammenbringen, wir einfach Probleme haben werden - das zeichnet sich ab". Mitterlehner rechnet damit, dass letztlich Europa beziehungsweise die EU die offenen Gasrechnungen der Ukraine begleichen wird. Europa müsse, da die Ukraine wirtschaftlich nicht stark genug sei, unterstützend eingreifen, aber für eine eigenständige Entwicklung in der Ukraine müsse der politische Konflikt gelöst werden.

Zunächst gehe es um eine politische Lösung binnen drei, vier Monaten - denn sollte danach die Ukraine kein Gas mehr aus ihren eigenen Speichern entnehmen können, könnte das Land auf für die EU bestimmtes Gas zurückgreifen, warnte Mitterlehner: Und dann ergebe sich die gleiche Problematik wie bei der Gaskrise 2009. Daher müsse die Angelegenheit politisch bereinigt werden.

Vasily Astrov vom Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche in Wien geht demnach davon aus, dass es letztendlich eine Einigung geben wird. So wie es sie auch bei früheren Konflikten in dieser Frage gegeben hat. "Es könnte allerdings einige Wochen dauern, länger als im Jahr 2009", sagt Astrov im Gespräch mit derStandard.at.  Damals hätten es die Verhandlungspartner angesichts der Tatsache, dass im damaligen Jänner eine Lösung des Problems dringend hätte herbeigeführt werden müssen, als es jetzt zur Sommerszeit notwendig wäre.

EU-Hilfe möglich

Naturgemäß hätten beide Partner ein veritables Interesse an einer Lösung des Problems. Nicht nur die Ukraine, die von dem russischen Gas abhängig ist, sondern auch Russland, das in der EU seinen Ruf als zuverlässiger Partner keinesfalls verlieren wolle. Was Wirtschaftsminister Mitterlehners Aussage betrifft, die EU könnte der Ukraine bei der Bezahlung der Gasschulden finanziell unter die Arme greifen, so verweist Astrov darauf, dass das in Teilen durch die bereits gewährte EU-Hilfe auch jetzt schon der Fall sei. Der Ökonom hält es für möglich, dass etwa Tranchen der bestehenden EU-Hilfe noch vorgezogen werden könnten.

Engpässe für Europa sieht Eugen Weinberg, Rohstoff-Experte der Commerzbank auf derStandard.at-Anfrage vorerst jedenfalls nicht: "Zum einen sind die Lagerbestände in Europa nach einem milden Winter historisch gesehen sehr hoch. Zum anderen hat der gegenwärtige Streit zwischen Russland und der Ukraine keinen unmittelbaren Einfluss auf Europa." Mögliche Auswirkungen auf den Gaspreis sieht der Experte allerdings schon: Die Preise könnten in den Wintermonaten zulegen, das zeige bereits der britische Preis, der als Bench Mark gelte, mit einem Anstieg um 15 Prozent seit Ende März.

Während es sich bei der Irakkrise beim Ölmarkt um einen globalen Markt mit Ausweichmöglichkeiten auf andere Anbieter gehandelt hätte, würde der gegenwärtige Gasstreit einen lokalen Markt betreffen. Mit dem Problem, dass die Alternativen begrenzt seien, so Weinberg.

Mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar schuldet der staatliche ukrainische Gaskonzern mittlerweile Gasprom. Möglicherweise verständlich, dass hier ein ganz normaler Gaskonzern den Gashahn abdreht. "Aber Gasprom ist kein normaler Gaskonzern. Die Preise werden nach politischen Schemen gemacht", so Weinberg.

Am Montag hatte Mitterlehner erklärt, die Gasspeicher in Österreich seien mit aktuell rund 65 Prozent deutlich stärker gefüllt als zu dieser Jahreszeit in den Vorjahren. Das entspreche 5,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Rund 60 Prozent des heimischen Gasverbrauchs werden durch Gas aus Russland gedeckt. (rb, roda, ch, derStandard.at, 17.6.2014)