Am Dienstag liefen die Models noch über die Mailänder Laufstege, ab Mittwoch geht der Modereigen in Paris weiter. Hier schon einmal einige Höhepunkte der vergangenen Tage. Gezeigt wurden die kommenden Frühjahrs- und Sommerkollektionen.
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Was normalerweise als bieder gilt, dem haucht Miuccia Prada modernes Leben ein. Denim steht in ihrer jüngsten Kollektion im Mittelpunkt. Die Nähte sind farblich abgesetzt, an den Füßen tragen die Models wahlweise Trekking-Sandalen oder Techno-Sneakers.
Mit ausgeprägten Gespür für alles, was gemeinhin als hässlich gilt, greift Prada in die Vintage-Kiste: Der braune Pulli mit Zopfmuster schaut überm Streifenhemd plötzlich frisch, ein wie Plastik schimmernde Ledermantel begehrenswert aus.
Wirklich neu ist in Pradas jüngster Kollektion (außer der vielen Denims) wenig, die Konzentration aber auf einige Prada-Leib- und Magenthemen überzeugt. Interessant: Pradas Kollektion ist gleichermaßen für Herren als auch für Frauen gedacht - ohne dabei Unisex zu sein.
Am überzeugendsten unter den großen, alten Mailänder Namen ist diesmal Giorgio Armani. Das Leitmotiv seiner Emporio-Kollektion: Die Linie. Die Farbpalette umfasst alle Schattierungen von Grau, Blau, Weiß und Schwarz, Kritzeleien überziehen die Sohlen der Sneakers.
Die Hosen bei Emporio enden wahlweise ober den Knien oder sind knöchelkurz und sitzen perfekt, bei den Oberteilen spielt er mit Steppmuster und Streifenoptik. Die Leichtigkeit, mit der der Achtzigjährige seine graphische Kollektionen zusammenstellt, müssen die Jungen erst einmal hinkriegen.
Bei Versace lässt sich Donatella von Cuba inspirieren. Das Ergebnis ist viel nackte Haut, einige absurde Netzshorts und viele um die muskulösen Leiber gewickelten Tücher.
Sieht eher nach altem Rom als Havanna aus, aber nun ja.
Dolce & Gabbana variieren endlos ein Torero-Thema. Aus den Lautsprechern tönt Carmen, von den Shirts brüllen die Stiere.
Dafür muss man ihnen leider das Etikett für die Langeweiler der Saison auf die Brust heften.
Reduktion scheint diese Saison ein Mailänder Motto zu sein. Auch bei Diesel Black Gold hält sich Designer Andreas Melbostad auffallend zurück, schmale Bikerjacketts und minimalistische Uniformjacken kombiniert er zu perfekt sitzenden Jeans.
Damit gewinnt man zwar keinen Designpreis, aber es sieht richtig gut aus.
Bei Bottega Veneta widmete Tomas Maier seine Kollektion Tänzern, die viel Bewegungsfreiheit brauchen. In seinen Kaschmir-Jogginghosen können sie draußen tanzen, die sandfarbenen Hemden schauen auch aufgeknöpft gut aus, unter den abstrakt gemusterten Pullis haben selbst vor Muskeln strotzende Körper gut Platz.
So teuer Mode von Bottega Veneta ist, so "used" schaut sie diesmal aus. Aber gut: An diesen Widerspruch hat man sich in der Luxusmode gewöhnt.
Andrea Pompilio ist einer der jüngeren Designer, die in Mailand gerade für Furore sorgen: Was man bei ihm zu sehen bekommt, das schaut um Längen frischer aus als Vieles sonst in Mailand.
Streetwear trifft bei Pompilio auf formale Herrengarderobe, plissierte Hemden lugen unter Pullis mit Lochmustern hervor, an den Füßen tragen seine Models Adiletten, auf den Nasenflügeln futuristische Aviator-Brillen.
Mit seinem Label MSGM ist der 37jährige Massimo Giorgetti zum Liebkind der jungen Modeszene avanciert, und das zu Recht. Was in Paris Kenzo, das ist in Mailand MSGM. Muster und Farben sind Giorgettis Leidenschaft, die Inspiration kommt von der Straße und weniger vom Schneider.
Flaggen zieren in der MSGM-Kollektion für kommendes Frühjahr die Hoodies und Parkas, die Schnitte sind weit, die quietschebunten Sandalen bequem. Ein Label, das die Mode nicht unbedingt neu erfindet, aber sie erfrischend neu kombiniert.
Der Theatermann unter den Modemachern ist Thom Browne. Für die Moncler Gamme Blue-Kollektion stieg er diesmal in einen Boxring...
...und entdeckte dort, dass man Shorts auch über Anzughosen und darüber auch noch einen Boxermantel tragen kann.
Einer der Qualitäts-Weltmeister in der italienischen Mode ist Ermenegildo Zegna. Mit dem Engagement von Stefano Pilati (früher YSL) hat man jetzt auch designmäßig zugelegt: Seine Silhouette steht im Widerspruch zu all den taillierten Gigolo-Anzügen, die Mailands Straßen dominieren. Die Sakkos etwas länger und höher geknöpft, die Hosen flattrig und an den Knöcheln eng und umgeschlagen.
Ein bisschen hat man das Gefühl, die farblich wunderbar abgestimmten Zegna-Teile strukturieren nicht den Körper, sie umwehen ihn.
(Stephan Hilpold, derStandard.at, 24.6.2014)