Malerei, die sich nicht dem Rhythmus und der Struktur des Raumes unterordnet: Arbeiten von Alois Mosbacher im Lentos.

Foto: Alois Mosbacher

Linz - Silbrig glänzende Buchenstämme, rau und rissig, die der Föhren, dazwischen die gefleckte Borke von Birken. Keiner wie der andere. Vertikal und hoch aufragend bestimmen die Stämme der Bäume das Bild eines Waldes. Ein Charakteristikum, das Alois Mosbacher in den Ausstellungsraum transferiert: Seine Bildtafeln mit Baumporträts in Kohle, Bleistift oder Öl nutzt er als abstrakte Bauteile, setzt kronenlose Hybride zusammen. Im Mittelschiff einer ehemaligen Kirche (St. Josef, Solothurn) wirkten Mosbachers Stämme wie Säulen, verwandelten sich in tragende architektonische Elemente. Auch im Lentos in Linz spannen die Baumbilder des 1954 in Strallegg (Bezirk Weiz) geborenen Malers den Raum auf. Sie lehnen an der Wand, ordnen sich also nicht unter, sondern stellen ihre eigene, autonome Struktur her. Ein Wald eben.

Eine widerständige Unabhängigkeit, die im Zusammenhang mit dem Titel der Schau Möblierung der Wildnis Sinn macht. Vom romantisch-verklärten Sehnsuchtsraum Wald ist Mosbacher allerdings weit entfernt. Bereits in der Ausstellung Out there 2004 in der Secession nützte er die Natur als Bühnenraum, in dem Außenseiter, Abenteurer und Aussteiger auftraten. Larp (2003) titelte ein solches, Liverollenspiele zitierendes Szenario, das aus vielen Einzelzeichnungen - so wie Pixel - zusammengesetzt ist.

Spiegel der Kultur

"Im Wald spiegelt sich der Zustand der Kultur", hielt Literaturwissenschafter Robert Harrison fest. Kultur habe sich im Lauf der Geschichte in ständiger Opposition zum Wald entwickelt und blieb doch immer von ihm abhängig. "Wer den Waldsaum überschritt, trat in eine Gegenwelt ein, und was die Menschen an Positivem wie Negativem in diese hineinphantasierten, das spiegelt wider, wie es um ihre Kultur stand und steht."

Der Wald als sowohl idealisierte als auch dämonisierte Projektionsfläche, ein Reich dunkler Mächte, aber auch Wiege des Guten, ein Gefahrens- wie Zufluchtsort. Neben Dämonen, Monstren, Fabelwesen und wilden Tiere, wähnte man dort auch die "wilden Leute", womit im Mittelalter sowohl Heidnisches und Teuflisches, als auch Lasterhaftes und Unmoralisches gemeint war. Unort, den es zu überwinden galt. Schicksalsort, an dem sich Ritter wie Helden bewähren mussten.

Später - im 12. Jahrhundert - tauchte jedoch mit Robin Hood die Figur des "good outlaws" auf, der aus dem Wald heraus, das böse Höfische stürzt. Und mit diesem und der Idee des Zufluchtsraums kehren wir zurück zu Mosbacher, dringen tiefer ein in dessen Wildnis - einem gesellschaftspolitischen Zustandsporträt. Möblierung der Wildnis heißt auch das raumbestimmende, fast acht Meter breite Tableau, das einen aus Ästen geschlichteten Unterschlupf samt Vogelhaus zeigt: ein notdürftiges Lager mit zerschlissener Matratze, dazu Telefon, Faxanschluss und Salonlämpchen.

Mosbacher geht es weniger um den Schlafplatz eines Freaks, sei doch Illustration der negative Pol der Malerei. Das Einsiedlerbild steht wie Mosbachers 2005 entstandene Serie der Cabins vielmehr für die Idee der Nischen und Freiräume, die die Gesellschaft dem Einzelnen zugesteht. Eine zeitspezifische Lesart, die auch die Medienbilder, Momentaufnahmen aus den Nachrichten der letzten Jahre unterstützen und die er als Horizontale - und halb von den Bäumen verdeckt - wie einen Film abspult. Der Wald schluckt und relativiert alles.

Und Mosbacher der "Cyberimpressionist", wie er selbst sagt, führt den Moment in die Malerei über. Nicht etwa, um ihn herauszuheben und ihm Geschichtlichkeit zu verleihen, sondern um ihm den Reiz der Aktualität zu rauben.

Ein Lenken des Blicks, das Mosbacher auch mit der in den Raum gestellten Brücke beabsichtigt. Er malt Welten, in denen die gewohnte Ordnung von Zeit, Raum, Schwerkraft gebrochen ist. Eine Inszenierung, die aus dem White Cube einen Reflexionsraum macht. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 24.6.2014)