Dass Matthias Hartmann heute vor Gericht steht und Georg Springer vor Pensionsantritt,  klingt wie eine etwas krass geratene Inzenierung von Kulturminister Josef Ostermayer im aktuellen Burgtheater-Thriller um Lüge und Halbwahrheiten, Verantwortung, verlorene Freundschaften, Verdrängung und Intrigen. Als sich die beiden heute beim ersten Akt von voraussichtlich langen und wohl auch verworrenen Gerichtsverhandlungen trafen, würdigten sie einander keines Blicks.

Doch so einfach scheint die Rollenaufteilung in Sündenbock und Unschuldslamm nicht zu sein. Das ist offenbar auch dem Kulturminister zunehmend klar geworden, der das von ihm in Auftrag gegebene Rechtsgutachten stets als Reinwaschmittel für Springer dargestellt hatte. Aber er bekam ein Glaubwürdigkeitsproblem: Seit passagenweise Springers Mitverantwortung am Dilemma aus dem Gutachten und dem Rechnungshofbericht zitiert wurden, ging auch der mit einem feinen Sensorium für Gegenwind ausgestattete Ostermayer auf Distanz zum Holding-Chef. Vermutlich hat er Springer zum Rücktritt in letzter Minute gedrängt – auch wenn er ihm Rosen streut: "Diese Entscheidung ist ein großer Schritt von Dr. Springer. Ich danke ihm für seine Arbeit in den letzten Monaten, die zur Beseitigung der vergangenen Krise im Burgtheater beigetragen hat." Springer (68) hat sich mit seinem (fast zu) späten Rückzug in den Ruhestand vielleicht vor einer Entlassung retten können – vor einer möglichen Anklage eher nicht.

Der Wirtschaftsfachmann und Jurist Springer hatte sich damit verantwortet, er habe die verschlungenen Finanzkunststücke der ehemaligen kaufmännischen Direktorin nicht durchblickt – auch wenn Rechnungshof und Rechtsgutachten zu anderen Schlüssen zu kommen scheinen. Aber selbst wenn es denn so gewesen wäre: Warum hätte der künstlerische Direktor Hartmann mehr von Buchhaltung verstehen sollen als der Geschäftsführer der Holding – und vor allem: mehr als all die Wirtschaftsprüfer von PwC und zunächst auch KPMG,  die über die Jahre Stantejskys Bilanzen geprüft und für richtig erklärt haben? Mittlerweile scheint es erwiesen zu sein, dass Hartmann ein Haus übernahm, das – anders, als ihm zugesichert wurde – schwer in der Kreide stand.

Die Prüfer – und die Holding – schickten Hartmann und seinen von ihm hinzugezogenen Experten Peter Raddatz mit ihren Anfragen in die Wüste. Dass Hartmann das Haus nicht immer als sonniger Sympathieträger führte, Schauspielerinnen und Schauspielern mit Kündigungsandrohungen und Gagenkürzungen vergrätzte, steht auf einem anderen Blatt – und ist sicher kein Grund für eine Fristlose. Er habe zu viel (und zu üppig honoriert) inszeniert und darüber die Führung des Hauses vernachlässigt, lautet ein Vorwurf, den ihm Teile des künstlerischen Ensembles machen. Auch das rechtfertigt keinen Hinauswurf, ein klärendes Gespräch zwischen Kulturministerium und Burgchef, rechtzeitig geführt, wäre da eher dienlich gewesen. Dass übrigens die ehemalige Kulturministerin Claudia Schmied derart beharrlich schweigt, sagt viel. (Andrea Schurian, derStandard.at, 24.6.2014)