Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) stellt sich hinter ÖVP-Mann Johannes Hahn als Kommissar. Über Alternativen will er gar nicht nachdenken.

Foto: cremer

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) geht fix davon aus, dass Jean-Claude Juncker spätestens am Freitag beim EU-Gipfel als Präsident der EU-Kommission nominiert wird. "Ich rechne mit einer Mehrheitsabstimmung, würde mich aber freuen, wenn sie einstimmig ist", sagte er zum Auftakt des Gipfels im STANDARD-Interview.

Gleichzeitig bestätigte Faymann, dass es nicht zu einem Beschluss für ein "Personalpaket" kommen wird, mit dem die Nachfolge von EU-Außenbeauftragter Catherine Ashton und Ratspräsident Herman Van Rompuy geregelt wird. "Die Diskussion darüber steht erst am Beginn", sagte Faymann. Er könne auch nicht bestätigen, dass die italienische Außenministerin Federica Mogherini und die dänische Premierministerin Helle Thorning-Schmidt diese Jobs übernehmen. Es gebe mehrere Kandidaten für diese Posten, so der Kanzler.

Was Österreich betrifft, legt er sich auf die neuerliche Nominierung von Regionalkommissar Johannes Hahn fest. "Ich möchte Hahn nominieren", sagte er, dieser habe gute Arbeit geleistet und bringe Erfahrung mit. Einen alternativen Kandidaten oder eine Kandidatin will der Regierungschef nicht vorschlagen.

STANDARD: Die wichtigste Frage: Wird Jean-Claude Juncker bei diesem EU-Gipfel als Kommissionspräsident nominiert werden?

Faymann: Ich möchte es gerne und bin überzeugt davon, dass viele Regierungschefs das auch wollen. Ich habe einige zuletzt in Paris getroffen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob nach der Wahl das gilt, was man vor der Wahl gesagt hat. Wenn alle, die vor der Wahl Kandidaten nominiert haben, sich jetzt entscheiden, dann fällt die Entscheidung heute, spätestens morgen für Jean-Claude Juncker. Das ist etwas, was für mich absolut notwendig ist für das Vertrauen in die Europäische Union.

STANDARD: Gehen Sie davon aus, dass es eine Abstimmung geben wird?

Faymann: Ich rechne mit einer Mehrheitsabstimmung, würde mich aber freuen, wenn es einstimmig ist.

STANDARD: Gibt es außer dem britischen Premierminister David Cameron und Ungarns Viktor Orbán noch jemanden, der gegen Juncker ist?

Faymann: Ich glaube, manche werden eine Diskussion beginnen wollen, ob man es tatsächlich schon festlegen muss, wie deutlich man das festlegen muss oder ob man nicht Cameron noch mit etwas entgegenkommen kann. Eine solche Debatte könnte von  Schweden oder den Niederlanden kommen.

STANDARD: 2004 hat Tony Blair mit Chris Patton einen Gegenkandidaten nominiert und den Favoriten Guy Verhofstadt damit rausgeschossen, weil man sich dann auf José Manuel Barroso geeinigt hat. Wieder denkbar?

Faymann: Ich rechne nicht damit, dass ein Gegenkandidat auftaucht. Ich rechne eher damit, dass es Besorgnis gibt, ob man mit Mehrheit abstimmen soll, ob das ein gutes Signal ist. Das werden die Gegenargumente sein, auf die bin ich vorbereitet. Aber es wird morgen zur Abstimmung kommen.

STANDARD: Wird es dazu auch ein größeres Personalpaket geben, die Besetzung der Nachfolger von Außenbeauftragter Catherine Ashton und Ratspräsident Herman Van Rompuy?

Faymann: Nein, das ist vorweg entschieden. Van Rompuy hat das bei seinem Rundruf und bei seinen Vorbereitungen gesagt, dass jetzt der Präsident der Kommission entschieden wird, der dann ohnehin noch vom Parlament gewählt werden muss.

STANDARD: Wie geht es dann weiter?

Faymann: Juncker wird nominiert. Dann hat das Parlament die Aufgabe, einen Parlamentspräsidenten zu nominieren. Und im Zuge von diesen Nominierungen wird dann eine Diskussion beginnen, wer Hoher Beauftragter und Ratspräsident wird. Beschlossen wird es aus meiner Sicht sicher nicht morgen.

STANDARD: Wird es nach Junckers Wahl im Parlament am 16. Juli dazu einen EU-Sondergipfel geben?

Faymann: Könnte sein. Wenn es kontroversiell ist, dann ja. Aber ansonsten bin ich gewohnt, dass wir gemeinsame Lösungen finden. Dazu haben wir auch noch ein bisschen Zeit.

STANDARD: Können Sie bestätigen, dass die italienische Außenministerin Federica Mogherini die neue Außenbeauftragte wird?

Faymann: Nein, das kann ich nicht bestätigen.

STANDARD: Gibt es mehrere Kandidaten?

Faymann: Natürlich. Diese Diskussion ist erst am Beginn. Bei allem, was da an Namen jetzt genannt wird, ist die Wahrscheinlichkeit nicht am höchsten, dass sie auch am Ende ganz oben stehen.

STANDARD: Gilt das auch für Helle Thorning-Schmidt als Ratspräsidentin?

Faymann: Ja, wobei man sagen muss, dass sie selbst noch gar nicht erklärt hat, ob sie überhaupt zur Verfügung steht. Aber sie wäre sicher jemand, die eine breitere Unterstützung im Rat hätte.

STANDARD: Also sind Ihrer Einschätzung nach alle diese Personalspekulationen noch etwas vorschnell?

Faymann: Ja.

STANDARD: Kommen wir zum österreichischen Kommissar. Wie sieht es da aus?

Faymann: Ich bin für Gio Hahn und gehe davon aus, dass der Beschluss in der Regierung zustande kommt. Es ist nur mehr die Frage, wann.

STANDARD: Es gibt Berichte, dass das schon am kommenden Dienstag sein soll. Stimmt das?

Faymann: In einer der nächsten Regierungssitzungen.

STANDARD: Juncker will alle Regierungen auffordern, mehrere Kandidaten zu nominieren, darunter auch Frauen, weil er eine Frauenquote von 40 Prozent in der Kommission erreichen will. Wie werden Sie auf das eingehen?

Faymann: Ich kann mir das praktisch schlecht vorstellen. Wenn man zwei, drei Kandidaten aufstellt, wer sucht sie dann aus? Und welches Land bekommt dann welches Dossier zugeteilt? Ich verstehe, dass die Quote ein Problem sein könnte bei der Bestätigung der Kommission im Parlament. Ich bin auch dafür, dass eine Quote eingehalten wird. Das ist eine Herausforderung.

STANDARD: Juncker hat offenbar Sorge, dass das Parlament seine Kommission sonst ablehnt, wenn er zu wenige Kommissarinnen hat. Er hat erst fünf von 28.

Faymann: Zu Recht. Ich weiß nur nicht, ob sich alle Länder schon festgelegt haben. Wir nominieren den, der es bisher war, und wollen einen Bereich, den er zum Beispiel bisher schon gemacht hat. Wir bringen jemanden mit Erfahrung ein. Vielleicht gibt es andere Länder, mit denen er reden kann. So mache ich das, wenn ich in meinem Bereich Entscheidungen treffe. Aber ein System, in dem zwei Kandidaten nominiert werden, das kann ich mir nicht richtig vorstellen.

STANDARD: Also Sie haben sich entschieden?

Faymann: Ja, ich möchte Hahn nominieren und möchte das auch begründen mit seiner guten Arbeit, die er im Regionalbereich geleistet hat.

STANDARD: Was erwarten Sie vom Kommissionspräsidenten Juncker und seiner Kommission?

Faymann: Er hat einmal einen sehr schönen Satz gesagt: Wir kennen die Regeln des Marktes, aber uns sind die Menschen nicht egal. Ich finde, das sagt viel aus. Die Regeln des Marktes würden Strenge, Strenge, Strenge verlangen, damit bei den Finanzmärkten ja nichts passiert, wo kein Millimeter Platz ist für Diskussionen. Wir dürfen uns wegen dieser Strenge des Marktes nicht an diese hohe Arbeitslosigkeit gewöhnen, wie wir sie haben. Das wäre verheerend.

STANDARD: Also erwarten Sie von der Kommission eine sozialere Politik?

Faymann: So ist es. Da weiß ich in Juncker einen Bündnispartner. Ich muss aber auch etwas Negatives über ihn sagen: Er unterstützt immer unsere Pläne zur Einführung der Finanztransaktionssteuer so zurückhaltend. Wir sind also nicht in allen Punkten einer Meinung. Aber gerade in der sozialen Frage weiß ich von ihm, dass er auch so denkt.

STANDARD: Wird die Kommission sozialdemokratischer?

Faymann: Wir haben besprochen, dass es sehr entscheidend ist, wer im Bereich Wirtschaft und Wettbewerb tätig sein wird. Aber noch entscheidender sind die inhaltlichen Vorgaben des Kommissionspräsidenten, des Rates und des Parlaments. Wenn die Vorgabe lautet, wie kann man bei den bestehenden Regeln Länder dabei unterstützen, dass sie investieren, dann ist das wichtig. Das muss es uns wert sein im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Überschriften allein werden nicht reichen. Es muss Taten geben.

STANDARD: Wenn man sich auf keinen Ratspräsidenten einigen kann und einen Kompromiss sucht, würden Sie dann zur Verfügung stehen, prinzipiell? Sie sind der drittälteste Regierungschef an Dienstjahren im Rat, was sagen Sie, wenn man Sie fragt?

Faymann: Da werde ich mich schon vorher so engagieren, dass es einer wird, der auch kandidiert. Ich selber möchte nicht kandidieren, weil ich im Land eine wichtige Arbeit übernommen habe, gerade wenn es jetzt um die Steuerreform und soziale Gerechtigkeit geht. Da wollen die Wähler sehen, was ich zustande bringe. Das habe ich versprochen, und was ich versprochen habe, das halte ich auch ein. Also werde ich mich dafür einsetzen, dass es zu so einer Frage gar nicht kommt. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Langfassung, 27.7.2014)