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Pro-Life-Aktivisten feierten die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes.

Foto: Reuters

Boston/Wien - Die Abtreibungskliniken im US-Bundesstaat Massachusetts wappnen sich: Sie heuern Sicherheitskräfte und Wachpersonal an, die größeren Städte wie Boston oder Springfield schicken Polizisten zur Verstärkung.

Vor wenigen Tagen fällte der Oberste Gerichtshof eine überraschende Entscheidung: Die Pufferzonen rund um Kliniken, die Patientinnen und Personal vor Attacken bewahren sollten, wurden aufgehoben. Rund elf Meter, die ein wenig Sicherheit und Distanz zu beherzten Pro-Life-Aktivisten hergestellt haben, sind jetzt weg.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Das Gericht begründete sein Urteil mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, das durch die Abstandszone verletzt werde. Geklagt hatten mehrere Abtreibungsgegnerinnen, die sich selbst als friedliche "Gehsteigberaterinnen" bezeichnen. Früher hätten sie hunderte Frauen umgestimmt, behaupteten sie vor Gericht, seit der Einführung der Pufferzone im Jahr 2007 so gut wie keine mehr.

Die Angst vor radikalen Abtreibungsgegnern ist mit dieser Entscheidung zurückgekehrt. Gerade Massachusetts hat Erfahrung mit Gewalt und Einschüchterung vor den Abtreibungskliniken: Seit 1991 sind acht Morde und 17 versuchte Morde an Mitarbeitern der Kliniken dokumentiert, 1994 erschoss ein Fanatiker zwei Menschen in einem Spital in Boston, fünf weitere wurden verletzt.

Eskorte für Patientinnen

"Die Uhr tickt, und wir wissen das", kommentierte Marty Walz in den Medien die Ereignisse. Sie ist Chefin von Planned Parenthood in Massachusetts, einer NGO, die neben Familienberatung auch Schwangerschaftsabbrüche in mehr als 700 Kliniken in den USA durchführt: "Bis wir eine Lösung gefunden haben, wird die Polizei uns zur Seite stehen, das wurde mir zugesichert." Zusätzlich habe sie 30 geschulte Mitarbeiter, die Patientinnen eskortieren.

Das Thema ist aktuell wieder heiße politische Ware in den USA. Seit 2011 mussten landesweit 73 Kliniken zusperren, mehr als 200 gesetzliche Beschränkungen wurden erlassen. Im Vorjahr verhinderte ein elfstündiger Filibuster - eine sogenannte Marathonrede - der demokratischen Senatorin Wendy Davis gerade noch die Einführung eines Antiabtreibungsgesetzes in Texas.

Illegaler Handel mit Abtreibungspillen

In Bundesstaaten, wo die Gesetze bereits massiv verschärft wurden, boomt laut einer aktuellen Recherche des Magazins "The Atlantic" bereits der Schwarzhandel mit Abtreibungspillen aus Lateinamerika. Vielerorts, vor allem in Texas, würde es für Frauen kaum noch Möglichkeiten für einen professionellen und sicheren Abbruch geben. (juh, DER STANDARD, 1.7.2014)