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"Einen Anstieg des faktischen Pensionsantrittsalters um acht Monate in einem Jahr würden wir uns alle wünschen, aber in Wahrheit bewegen wir uns kaum von der Stelle", sagt Jochen Danninger.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien - Die Botschaft hören sie wohl, allein ihnen fehlt der Glaube: Vielfachen Widerspruch provozierte ein STANDARD-Interview mit Rudolf Hundstorfer. Der Sozialminister von der SPÖ hatte darin von einem ersten "greifbaren Zeichen" gesprochen, dass sich der Trend in Sachen Frühpensionen ins Positive kehre: Immerhin sei das faktische Pensionsantrittsalter in den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres im Schnitt um über acht Monate höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

"Schöngeschminkt" nennt Finanzstaatssekretär Jochen Danninger (ÖVP) diese Zahlen: "Einen Anstieg um acht Monate in einem Jahr würden wir uns alle wünschen, aber in Wahrheit bewegen wir uns kaum von der Stelle." Hundstorfer komme auf diesen Anstieg nur, weil er Bezieher von Rehabilitationsgeld nicht in seine Rechnung einbeziehe, kritisiert Danninger. Tue man dies, dann betrage der Anstieg im zitierten Zeitraum nicht acht, sondern nur 1,5 bis zwei Monate.

"Am Antrittsalter ändert sich letztlich nichts"

Hintergrund: Heuer wurde die Invaliditätspension für unter 50-Jährige abgeschafft, die Anwärter müssen sich einer Rehabilitation unterziehen. Weil für diese Zeit Reha-Geld gezahlt werde, blieben die Ausgaben de facto gleich hoch, argumentiert Danninger, "und am Antrittsalter ändert sich letztlich auch nichts".

Natürlich spiele das Aus der Invaliditätspension eine Rolle, aber eben nicht nur, kontert Hundstorfer und spricht von ebenfalls gebremstem Zustrom in andere Varianten wie die Hacklerfrühpension. Bei aller für Momentaufnahmen gebotenen Vorsicht gelte: "Es bleibt ein echter Anstieg."

Kritik von Wirtschaft

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung teilen die Einwände Danningers. Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, erklärte in einer Aussendung: "Wir brauchen keine statistische, sondern eine echte Trendumkehr." Der Wert von 58,77 Jahren sei nicht als besonders positiv zu bewerten, da das Pensionsantrittsalter im vergangenen Jahr 58,5 Jahre betragen habe, so Gleitsmann. Entscheidend ist für ihn, ob die Erhöhung in den ersten fünf Monaten 2014 rein statistisch ist oder auch das Budget entlastet.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, forderte für die Erreichung des Ziels, das faktische Antrittsalter bis 2018 auf 60,1 Jahre anzuheben, "echte Strukturreformen" im Pensionssystem: "Das bloße Herausrechnen von Personengruppen, die nunmehr ein Rehabilitations- oder Umschulungsgeld statt einer befristeten Invaliditätspension beziehen, aus der Pensionsstatistik löst die strukturellen Probleme im Pensionsbereich nicht." Mit einer Trendumkehr habe das nichts zu tun.

Khol weist Kritik zurück

"Die apokalyptischen Reiter können einpacken. Wir lassen uns das Pensionssystem und auch die Arbeitseinstellung der Älteren in Österreich nicht länger schlechtreden", sagte hingegen ÖVP-Seniorenbund-Obmann Andreas Khol. Er wies den Vorwurf statistischer Tricks zurück und forderte grundsätzlich die Umsetzung vereinbarter Reformen.

Der SPÖ-Pensionistenverband stellte fest, dass die gesetzten Maßnahmen wirken würden, das Pensionssystem gesichert sei und kein Bedarf an Reformen des Pensionssystems bestehe. Der Pensionistenverband will jedoch die Unternehmen "endlich" mit dem Bonus-Malus-System in die Pflicht nehmen.

WIFO-Expertin Christine Mayerhuber forderte im Ö1-"Mittagsjournal" neben Abschlägen für Arbeitnehmer, die früher in Pension gehen, auch Anreize oder Boni für Unternehmer, um Menschen länger in Beschäftigung zu halten. (APA, jo, 3.7.2014)