Bild nicht mehr verfügbar.

Achtung, doppelte Böden: Das britische Duo Pet Shop Boys gastierte in der Wiener Staatsoper

Foto: APA/EPA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - Es ist gemein, wenn man an samtige Stühle gebunden ist, während einem Discobeats ins Gesicht geblasen werden. Als am Freitag die Pet Shop Boys beim Jazzfest die Staatsoper bespielten, reagierte das Dreißig-plus-Publikum zunächst mit dem "Radetzkymarsch-Reflex" und klatschte kollektiv Vierteln mit. Eine Video-Tunnelfahrt zum Stück Axis führte in vergangene Jahrzehnte. Viel brauchte es dann gar nicht, bis es das Publikum aus den Stühlen hob und die altehrwürdige Umgebung - nicht zuletzt dank Unmengen an Bühnennebel - ein bisschen zum Club wurde.

Aber Moment: Die Pet Shop Boys in der Staatsoper? Im Herzen der Hochkultur? Das ist folgerichtiger, als es scheinen mag. Immerhin hat das seit 1985 bestehende Synthpop-Projekt der Briten Neil Tennant (60) und Chris Lowe (54) seinen künstlerischen Anspruch trotz aller Chart-Erfolge bewahrt. Man komponierte für Ballett und Theater; Derek Jarman konzipierte Bühnenshows. Die Doppelbödigkeit all dieser pompösen Discomonotonie sollte man ebenso wenig unterschätzen wie Tennants Texte. Songs wie Love is a bourgeois construct entfalten in der Staatsoper durchaus Hintersinn.

Heinzelmännchen am Werk

Anpassungen an den Jazzfest-Kontext hat man nicht vorgenommen. Wie gehabt singt Tennant, während Lowe wortlos im Hintergrund bleibt. Dass er sich während der rund 90-minütigen Halbplaybackshow hinter seinem Pult mit Keyboardspielen unterhält, sehen eigentlich nur erhöht Sitzende.

Begleitet wird das Duo von einem Tross Heinzelmännchen in Warnwesten-Orange sowie von zwei Tänzern in wechselnden Kostümen. Zu gesampelten Klängen aus Strawinskys Le sacre du printemps treten diese in Büffelskelett-Masken mit Hörnern auf, später tragen sie einmal so etwas wie Origami-Lampions. Vor Domino Dancing hypnotisieren sie das Publikum als goldblättrige Büsche auf Pogostäben.

Aber auch Tennant und Lowe spielen mit ihren Rollen: Zu One More Chance / Face Like That treten sie als spitzbehütete Clowns à la Klaus Nomi auf, später hat Lowe einmal Polster auf die Arme gefädelt. Zum spacigen Höhepunkt findet die "Modenschau" jedoch mit Discokugel-Kopfbedeckungen, die die Boys bei Leaving zu Sternen machen.

Grelle Heinzelmännchen

Dass der Sound in der Staatsoper suboptimal ist und viele Songs recht blutleer wirkten, mochte man durch die ortsbedingte Verfremdung ausgeglichen sehen: Diese rauschend-hymnischen Höhepunkte wie beim Village-People-Cover Go West - das übrigens auf Pachelbel beruht - wirken 2014 nämlich tatsächlich vor allem ironisch. Geradezu passend erschien es da, als für etliche Takte das Playback zu It's A Sin splitternackt dalag: Ein Stromausfall hatte Tennants Mikro lahmgelegt. Der fabelhaften Chemie zwischen Publikum und der beglatzten Popikone auf der Bühne tat das freilich keinen Abbruch. Man freute sich herzlich über Hits wie West End Girls oder Opportunities (Let's Make Lots Of Money). (Roman Gerold, DER STANDARD, 7.7.2014)