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Italiens Kulturgüter bröckeln einhergehend mit den schrumpfenden Budgets: Pompeji.

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Doch kein spendierfreudiger Mäzen ruft an: Diana Damrau in "La Traviata" an der Scala.

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Italiens Kulturgüter sind bedroht. Pompeji, Unesco-Weltkulturerbe, ist längst zum tristen Wahrzeichen dieses scheinbar unaufhaltsamen Niedergangs geworden. Aber nicht nur das Kulturgut bröckelt, sondern auch die Nutzung des Kulturangebots. Dies geht aus dem Jahresbericht der Federculture, des nationalen Verbands privater und öffentlicher Kulturveranstalter, hervor.

Die Gesamtausgaben italienischer Familien für Kultur und Freizeit betrugen 2013 66,5 Milliarden Euro, drei Prozent weniger als 2012; insgesamt gibt es sieben Prozent Rücklauf in nur zwei Jahren. Besonders hart betroffen ist das Theater mit 15,5 Prozent weniger verkauften Theaterkarten. Museen und Ausstellungen büßten 12,8 Prozent, Musikveranstaltungen 14,4 Prozent ein. Nicht einmal der Film konnte sich retten: elf Prozent weniger.

Ist diese plötzliche Kultur-Abstinenz wirklich nur den schmalen Geldbeuteln anzulasten? Oder könnte dies auch etwas mit der Qualität des Angebots zu tun haben? Italiens Kulturangebot ist rückläufig, seit Jahren fehlt es an neuen Impulsen, an Innovation. Ein Grund ist sicher der chronische Geldmangel. Aber der Zweifel ist begründet, dass die knappen Mittel eher dazu dienen, das klägliche Angebot mehr schlecht als recht über Wasser zu halten, statt sinnvoll einzusetzen.

In den letzten zehn Jahren sind die öffentlichen Kultursubventionen um 27 Prozent (!) zurückgegangen. Verglichen mit 2004 gibt der Staat heute um 1,6 Milliarden Euro weniger aus. Das Kulturministerium ist bemüht, den Negativtrend zu stoppen, und hat für 2014 ein Budget von 1595 Millionen Euro geschnürt, knapp 50 Millionen mehr als 2013. Da der Haushaltsplan jedoch für das laufende und die zwei Folgejahre gilt, sind im Schnitt pro Jahr 1527 Millionen Euro veranschlagt. 2014 mutet daher wie eine Schonfrist an, die eine Umverteilung der Kürzungen auf 2015/2016 zur Folge haben dürfte: Der Rückgang staatlicher Subventionen würde die 30-Prozent-Hürde nehmen.

Wo die öffentliche Hand geizt, hofft man auf private Geldgeber. Scheinbar vergebens. Denn nicht nur die Verbraucher knausern, auch Sponsoren, Bankstiftungen, private Mäzene und Unternehmen sind weniger freigiebig. Zwischen 2008 und 2013 ist das Volumen privater Fördergelder um 41 Prozent gesunken.

Es findet sich eben nicht jeden Tag ein Mr. Tods alias Diego della Valle, Chef des gleichnamigen Schuhkonzerns, der bereit ist, 25 Millionen Euro für die Sanierung des Kolosseums hinzublättern. Im Jahr 2013 ging die Kurve der privaten Fördergelder kurz nach oben - und zwar um sechs Prozent (neun Millionen Euro). Um diesen Aufwind nicht gleich wieder abflauen zu lassen, hat das Kulturministerium nun unter der Leitung des Renzi-Getreuen Dario Franceschini in aller Eile ein Maßnahmenpaket verabschiedet.

Schon der Ansatz der "Dringlichkeit", die im Paket ausdrücklich betont wird, lässt allerdings vermuten, dass es sich eher um Notstandnormen denn um strategische Reformen handelt. Auch der Name "Art Bonus" klingt eher nach Pflaster als nach Therapie. Dabei geht es um Steuervergünstigungen bis zu 65 Prozent für Mäzene, die mit Schenkungen die Sanierung des Kulturguts fördern. Diese 65 Prozent werden auf drei Jahre verteilt, der Freibetrag darf nicht mehr als 15 Prozent des zu versteuernden Gesamteinkommens des Geldgebers ausmachen, der sich zudem verpflichtet, der Öffentlichkeit Einblick in seine Vermögenslage zu gewährleisten. Fraglich daher, ob der Art Bonus tatsächlich Anreiz für private Unternehmer ist.

Außerdem sind von den Steuererleichterungen Fördermittel ausgeschlossen, die unter die Kategorie des Sponsorings fallen. Genau das ist aber die Form von Kulturförderung, von der sich spendable Unternehmer einen Gewinn erhoffen, zumindest im Bereich des Marketings und der Imagepflege.

Sparen bei den Senioren

Seit der Veröffentlichung des Maßnahmenpakets Ende Mai stehen Mäzene jedenfalls noch nicht Schlange. Das Kulturministerium bittet nun andere zur Kasse: die Senioren. Am 1. Juli wurden die freien Eintritte für über 65-Jährige abgeschafft. Kulturminister Franceschini will nicht, dass wohlbetuchte Touristen das italienische Kulturangebot gratis genießen. Mit der Neureglung macht er aber auch für arme italienische Rentner den Kulturgenuss unleistbar.

Franceschini will immerhin einen eintrittsfreien Sonntag pro Monat einführen. Und zweimal im Jahr sollen Museumsnächte zum Spartarif stattfinden. Wenn dies die lang versprochenen Reformen des italienischen Kultursystems sind, scheint der Niedergang so unaufhaltsam wie jener Pompejis. In der berühmten archäologischen Stätte bröckelt es weiter, jüngst ließ ein Streik die Touristen vor verschlossenen Gattern stehen. Gratis. (Eva Clausen, DER STANDARD, 8.7.2014)