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Abdelfattah al-Sisi (links) und Mahmud Abbas bei der Angelobung des ägyptischen Präsidenten in Kairo

Foto: EPA/EGYPTIAN PRESIDENCY

Präsident Abdelfattah al-Sisi hat Mahmud Abbas, dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, versprochen, dass er für eine Deeskalation zwischen dem Gazastreifen und Israel arbeiten will. Aber vielleicht hatte es der Ägypter, als er am Dienstag mit Abbas sprach, damit gar nicht so eilig: Die Hamas, einst als palästinensischer Zweig der ägyptischen Muslimbruderschaft gegründet, steht auf der ägyptischen Terrorismusliste und wird von der neuen Führung in Kairo als Staatsfeind angesehen.

Und an der Schwächung der kleineren, noch radikaleren Organisationen im Gazastreifen - welche die Hamas nicht völlig kontrolliert - herrscht ein noch größeres Interesse in Kairo, denn sie sind Teil des Destabilisierungsproblems auf dem Sinai. Aber in Ägypten weiß man andererseits genau, dass es letztlich wieder den Radikalen zugutekommt, wenn die israelische Aktion zu sehr aus dem Ruder läuft, das heißt, wenn eine Bodenoffensive daraus wird. Zivile Opfer gibt es jetzt schon zu viele. Ägypten - aber natürlich auch Israel selbst - wandeln auf einer dünnen Linie.

Das letzte Mal, das Ägypten Feuerwehr zwischen Israel und dem Gazastreifen spielen musste, war Mitte November 2012, bei der israelischen Operation "Pillar of Defense". Damals war der Muslimbruder Mohammed Morsi Präsident, der seinem Militärgeheimdienst die schon zur Zeit Hosni Mubaraks traditionelle Vermittlerrolle überließ: Sisi war zwar bereits im August 2012 von Morsi vom Militärgeheimdienstchef zum Armeechef und Verteidigungsminister befördert worden, aber deshalb umso mehr eingebunden.

Der Vermittler Morsi

Die internationale Gemeinschaft nahm mit Interesse zur Kenntnis, dass trotz der damals am Zenit befindlichen Muslimbrüderherrschaft die israelisch-ägyptische Zusammenarbeit weiter funktionierte. US-Präsident Barack Obama schaltete sich telefonisch mehrmals ein, am 21. November 2012 verkündeten Hillary Clinton und Mohammed Kamel Amr als Außenminister der USA und Ägypten stellvertretend für die beiden Parteien den Waffenstillstand.

Beide Seiten, Israel und die Hamas, erklärten, ihr Ziel erreicht zu haben: Israel die signifikante Herabstufung des Raketenarsenals der Hamas und anderer Gruppen, und die Hamas erhielt immerhin die Aussicht auf die Erleichterung der Lebensumstände der Menschen im Gazastreifen. Somit wurde das Problem indirekt als Konfliktursache festgeschrieben.

Dieser Waffenstillstand reflektierte die veränderte - verbesserte - Position der Hamas durch die Stärkung der Muslimbrüder in der gesamten Region. Dafür waren nicht nur die Wahlsiege der Muslimbrüder in Ägypten verantwortlich, sondern auch der Paradigmenwechsel in Syrien, wo sich die Hamas nach dem Ausbruch des Aufstands vom Assad-Regime distanzieren musste - und dadurch auch vom iranischen Sponsor.

Bekanntlich haben sich die Verhältnisse inzwischen wieder gedreht: Seit Morsis Sturz vor einem Jahr wird der Hamas nicht nur von Ägypten zugesetzt, auch ihr wichtigster arabischer finanzieller Sponsor, das Emirat Katar, ist unter schwerem Druck vom muslimbrüderfeindlichen Saudi-Arabien und den anderen Golfstaaten.

Insofern trifft die Eskalation die Hamas, die von Geheimdienstkreisen tatsächlich nicht für den direkten Auftraggeber der Morde an drei jungen Siedlern bei Hebron gehalten wird, in einem Moment der Schwäche. Das hatte ja auch dazu geführt, dass die Organisation sich praktisch ohne Gegenleistung den Bedingungen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für eine Einheitsregierung unterwarf. Aber nun werden die Karten neu gemischt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 10.7.2014)