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Wien - Ein ungewöhnliches Motiv für eine politische Broschüre: Zwei junge Männer liegen im Auto und rauchen einen Joint, beiden kann man den Rausch an ihren geröteten Augen ansehen. Die erste Seite des Flyers ist komplett in Grün gehalten – sicher mit Absicht, da die Pflanze auch „das grüne Kraut“ genannt wird. "Lieber bekifft ficken, als besoffen Fahren", prangt auf der provokanten Broschüre.

Genau so lautet die aktuelle Kampagne der Sozialistischen Jugend Österreichs (SJÖ), die in Tirol bereits Wellen geschlagen hat: Die SPÖ Tirol sprach sich auf ihrem Parteitag am 28. Juni für eine Legalisierung von Cannabiskonsum aus. Das Thema spaltet die Geister, denn die Bundespartei steht nicht hinter diesem Vorstoß.

Zustimmung der Jugend

Die Vorsitzende der SJÖ Julia Herr sieht Cannabis als in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Viele Jugendliche seien bereits mit der Droge in Berührung gekommen. Während die psychischen Folgen zwar bewiesen sind, wurde jedoch mittlerweile mehrfach widerlegt, dass Cannabis eine "Einstiegsdroge" sei. Nur die Illegalität würde sie zu einer machen: "Der Dealer ist das Glied zu härteren Drogen", sagt Frau Herr.

Für Justizminister Wolfgang Brandstetter von der ÖVP steht eine mögliche Legalisierung hingegen nicht zur Debatte: Auch den Konsum von leichten Drogen dürfte man keinesfalls erleichtern, sagte er in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research sprechen sich auch 58 Prozent der österreichischen Bevölkerung gegen eine Erlaubnis von Cannabis aus.

Wir haben mit einigen Jugendlichen auf der Straße gesprochen und sie zu ihrer Einstellung befragt. Vor der U-Bahn-Station Landstraße stehen zwei Burschen mit Zigaretten neben der Rolltreppe und beäugeln uns mit skeptischen Blicken. Als wir sagen, dass es in unserer Umfrage um die Legalisierung von Marihuana geht, erhellt sich sofort ihr Gesicht.

Kevin (16) und Gabriel (18) wollen beide, dass das Rauschmittel endlich offiziell erhältlich ist. Bei der Frage nach dem "Warum?" kommen sie jedoch ins Stocken.

Gabriel sagt schließlich, dass man nicht wisse, womit das Rauschmittel gestreckt sei, wenn man es auf der Straße kaufe. Des Weiteren findet er, dass "jeder Mensch selbst wissen soll, was er macht." Sein Begleiter nickt stumm.

Wenig später gehen zwei junge Männer mit Energy Drinks in der Hand aus einem Einkaufszentrum direkt auf uns zu. Auch diese konfrontieren wir mit unseren Fragen: "Legalisieren!", lautet ihre Antwort im Chor. "Cannabis ist viel besser als Alkohol. Durch Alkohol werden alle aggressiv, mit Weed ist man gechillt", sagt der 16-jährige Adrian und lacht laut. Außerdem gäbe es durch Kiffen erst zwei nachgewiesene Todesfälle. Laut Rechtsmedizinern der Universitätsklinik Düsseldorf sind zu Beginn des Jahres zwei junge Männer an Herzversagen als Folge ihres Cannabis-Konsums gestorben.

Zum Schluss sprechen wir noch mit den zwei fünfzehnjährigen Mädchen Anna und Valeria. Sie haben sich mit dieser Thematik noch nicht auseinandergesetzt und würden laut Eigenaussage auch kein Marihuana kaufen, selbst wenn es legal wäre.

Trotzdem sagen sie: "Alles, was verboten ist, wollen die Leute doch nur noch mehr. Wenn es legal ist, geht der Reiz verloren." Obwohl beide Raucherinnen sind, meinen sie, dass Zigaretten weitaus schädlicher seien als ein kleiner Joint.

Herr: "Keine Verharmlosung"

Ein überraschendes Ergebnis: Von allen Jugendlichen, die wir in der kurzen Zeit in der Fußgängerzone angetroffen haben, sprach sich niemand gegen die Legalisierung aus. In einer Dreiviertelstunde haben wir keinen einzigen Cannabis-Gegner getroffen.

Im Gespräch mit einem Sozialarbeiter aus Niederösterreich, der mit suchtkranken Jugendlichen zusammenarbeitet, finden wir auch einen möglichen Grund dafür: "Alkohol und Cannabis werden in der Gesellschaft eher verharmlost".

Trotzdem kennt er nur wenige Jugendliche, die mit Cannabis ein Problem hätten, und spricht sich auch für eine Entkriminalisierung aus: "Ich bin prinzipiell dafür, dass man nicht kriminalisiert, sondern den Konsum freigibt – aber wenn man dann schon Steuergelder einnimmt, sollte man damit auch die Prävention und pädagogische Maßnahmen subventionieren."

Auch Julia Herr von der SJÖ meint: "Uns geht es nicht darum die Droge zu verharmlosen, sondern sie zu regulieren." (Nikolaus Neuweg (14), Stefan Severin (17), derStandard.at, 10.7.2014)