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Gemessen an Qualität und technischen Standards, ist Wohnraum in Großbritannien sehr teuer, so Schmitt.

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Klaus Schmitt: "Ich denke also, auf Vollwärmeschutz, Dreischeibenverglasung und Passivhausqualität werden wir hier noch lange warten müssen."

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Seit 2012 ist die deutsche Patrizia Immobilien AG nun auch in Großbritannien tätig. COO Klaus Schmitt erzählt im Gespräch mit Wojciech Czaja über seine Beweggründe, Hoffnungen und Befürchtungen. Sein besonderes Sorgenkind ist der Wohnungsmarkt.

STANDARD: Im April musste The Gherkin (IVG) Insolvenz anmelden. Viele deutsche Investoren sind davon betroffen. Wird sich das auf die Investitionslaune deutscher Unternehmen in Großbritannien auswirken?

Schmitt: Ich fürchte ja. Bei dieser Insolvenz sind viele Fonds und viele deutsche Investoren involviert. Einige Investoren haben hier nahezu ihr gesamtes Eigenkapital verloren. Das trägt nicht unbedingt zu einer positiven Stimmung für weitere Investments bei.

STANDARD: Sie investieren weiter. Was waren und sind die Beweggründe für die Expansion nach Großbritannien?

Schmitt: In Großbritannien ist Patrizia nun seit 2012 tätig. Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir uns weiterhin auf den deutschen Markt beschränken oder ob wir uns auf ei- nem größeren, europäischen Markt bewegen wollen. Schließlich haben wir uns für Europa entschieden. Auf diese Weise sind wir nicht nur Dienstleister für große Investmentmanager, sondern sind nun selbst als Investmentmanager auf einem so spannenden Markt wie dem britischen tätig.

STANDARD: 3,8 Prozent der gesamten Patrizia-Immobilienflächen liegen in Großbritannien. Inwiefern wird sich diese Zahl in Zukunft verändern?

Schmitt: Für Prognosen dieser Art ist es noch zu früh.

STANDARD: Auf welchen Städten liegt der Fokus?

Schmitt: Natürlich sind wir auch in London tätig. Doch der eigentliche Fokus liegt auf Edinburgh, Manchester, Birmingham und Glasgow, wo wir Anfang Mai unsere erste Transaktion für einen deutschen Fonds abgeschlossen haben. Außerdem sind wir auch in Irland tätig.

STANDARD: Sie haben auch einige Gewerbeparks außerhalb der Großstädte im Portfolio.

Schmitt: Was die Bürostandorte und Gewerbeparks betrifft, so werden wir uns in Zukunft auf den Umraum der großen Flughäfen konzentrieren, vor allem auf Heathrow. Ein sehr schönes Beispiel, wo in den nächsten Jahren viele neue Büroflächen entstehen sollen, ist Winnersh Triangle in der Nähe von Reading. Nachdem die Nachfrage in diesem Segment in den letzten Jahren gewachsen und die Leerstandsrate kontinuierlich gesunken ist, werden wir in Winnersh nun erstmals auch spekulativ Büroflächen errichten.

STANDARD: Sie sprechen vor allem von Büros. In Deutschland haben Sie das Image des Wohnbauentwicklers und -verwerters.

Schmitt: Patrizia mit Wohnen in Verbindung zu bringen ist ja kein Fehler. Unser Schwerpunkt hat sich in den letzten Jahren stark verschoben. Wir haben uns vom Wohnspezialisten zu einem Spezialisten für alle Assetklassen, vor allem für Spezialimmobilien, entwickelt. Der Servicebereich macht bereits 80 Prozent unseres Umsatzes aus.

STANDARD: Ein kleines Quiz: Wenn man über Immobilien in Großbritannien spricht, dann ist vor allem die Rede von?

Schmitt: Büro und Retail.

STANDARD: Marktprognosen zufolge soll das Investitionsvolumen für Wohnen den Bereich Retail und Commercial in bereits fünf Jahren überholt haben. Was würde das für den britischen Markt bedeuten?

Schmitt: Ich kenne diese Aussagen und diese Zahlen, und ich wage, sie zu bezweifeln. Da ist von einem Transaktionsvolumen für Wohnen in der Höhe von 50 Milliarden Euro die Rede, aufgeteilt auf die kommenden fünf Jahre. Das ist nicht machbar. Das würde den gesamten britischen Markt zum Kollabieren bringen.

STANDARD: Weil?

Schmitt: Wenn das tatsächlich in fünf Jahren über die Bühne geht, dann heißt das, dass auf einen Schlag einige Dutzend Millionen Quadratmeter Wohnflächen auf den Markt kommen. Für mich ist diese Zahl unrealistisch.

STANDARD: Der Bedarf nach leistbarem Wohnraum in Großbritannien ist enorm. Sie sehen das anders?

Schmitt: Ich sehe das nicht anders, nur differenzierter. Tatsache ist, dass es im UK keinen nennenswerten Mietwohnungsbestand gibt wie das etwa in Österreich der Fall ist. Das Produkt muss in Großbritannien erst einmal geschaffen werden. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Das wird viele Jahre in Anspruch nehmen.

STANDARD: Wird sich Patrizia in diesen Prozess einbringen?

Schmitt: Auf jeden Fall. Das haben wir schon, und das werden wir auch in Zukunft.

STANDARD: Wie zufrieden sind Sie denn mit der Qualität am britischen Wohnmarkt?

Schmitt: Die Qualität entspricht nicht vollständig dem, was wir aus Mitteleuropa kennen. Auch technisch sind die Wohnungen nicht sehr gut ausgestattet. Gemessen daran, ist Wohnraum in Großbritannien sehr teuer.

STANDARD: Zu teuer und zu schlecht. Das heißt, die Politik ist am Zug?

Schmitt: In Deutschland und Österreich gibt es einen politischen Willen und entsprechend strenge soziale und ökologische Vorschriften, und die Wohnbauträger müssen darauf reagieren. In Großbritannien gibt es dieses Commitment derzeit noch nicht. Ich denke also, auf Vollwärmeschutz, Dreischeibenverglasung und Passivhausqualität werden wir hier noch lange warten müssen.

STANDARD: Können Sie diesen Prozess beschleunigen?

Schmitt: Punktuell ja. Aber flächendeckend braucht die Immobilienwirtschaft da Rückenwind von der Politik.

STANDARD: Ich würde gerne noch den Bereich Retail ansprechen. Laut einer Studie von Colliers International haben seit der Krise 2008 in den Großstädten im UK rund 9000 Geschäftslokale namhafter Retailer zugesperrt. Macht Ihnen diese Entwicklung Sorge?

Schmitt: Die Zahlen sind tragisch, zumal diese Entwicklung einige wirklich große, namhafte Ketten betroffen hat. Der Markt befindet sich sehr stark im Umbruch. Die Auswirkungen von Internethandel wie Click and Collect sind nicht mehr zu übersehen. Darauf wird die Branche reagieren müssen.

STANDARD: Werden Sie in den Bereich Retail investieren?

Schmitt: Vorerst einmal sehe ich von unserer Seite keinen Bedarf, den britischen Retailmarkt zu betreten. Langfristig wird es daran aber kein Vorbeikommen geben, wenn wir in Großbritannien reüssieren wollen. (DER STANDARD, 12.7.2014)