Journalist Sharipzhan: Russland droht und lockt.

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Trotz der manchmal brutalen Versuche Russlands, dies zu verhindern, haben jetzt drei ehemalige Sowjetrepubliken Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet - Georgien, Moldau und die Ukraine. Für diese Länder, die seit der Auflösung der Sowjetunion um Stabilität kämpfen mussten, ist dies sicher eine vielversprechende Entwicklung. Aber es wäre naiv zu glauben, Russland würde so leicht aufgeben.

Wie die anhaltende Krise in der Ukraine erneut gezeigt hat, bleiben ehemalige Sowjetrepubliken, die versuchen, ohne die Zustimmung des Kreml geopolitische Entscheidungen zu treffen, nicht lang intakt. In Georgien sind die abtrünnigen Regionen von Abchasien und Südossetien seit der Anerkennung durch Russland im Jahre 2008 de facto unabhängig. Heute sind die Aussichten auf ihre Rückkehr schlechter als je zuvor.

Moldau wiederum hat sich zwei Jahrzehnte lang bemüht, die Kontrolle über die abtrünnige Region Transnistrien zu behalten. Zudem hat die winzige autonome Region Gaugasien mit ihrer indigenen türkischen Bevölkerung durch eine von Russland unterstützte Volksabstimmung ihr Recht erklärt, sich im Fall der Auflösung des moldauischen Staates abzuspalten. Die Gefahr besteht nun, dass sezessionistische Politiker den angeblich mit der EU-Assoziierung einhergehenden Verlust an Souveränität als genau solch eine Auflösung interpretieren.

Russland hat nicht nur ehemalige Sowjetrepubliken entmutigt, engere Verbindungen mit der EU einzugehen, sondern sogar eine Art eigene "EU" gegründet: die Eurasische Wirtschaftsunion (EaEU). Im Mai wurde diese durch die Führungen von Russland, Belarus und Kasachstan gegründet. Sie unterzeichneten ein Abkommen, das nächstes Jahr unter der Voraussetzung in Kraft tritt, dass es durch die Parlamente aller drei Länder ratifiziert wird.

Der russische Präsident Wladimir Putin bestand darauf, die EaEU solle zwar keine "wieder auferstandene" Sowjetunion sein, aber jeder ehemaligen Sowjetrepublik stehe die Teilnahme frei. Und manche sind daran sehr interessiert. Laut einer aktuellen Umfrage unterstützen etwa 80 Prozent der Kasachen Putin und etwa 70 Prozent die kasachische EaEU-Mitgliedschaft.

Manche Länder haben den Drohungen Russlands, ihnen im Fall einer Integration in die EU separatistische, ethnische oder andere Probleme zu bereiten, widerstanden, aber andere haben sich dem Druck gebeugt. Armenien, das seit mehr als zwei Jahrzehnten in einem Konflikt mit dem Nachbarn Aserbaidschan über die abtrünnige Region Bergkarabach feststeckt, hat seine Integrationsgespräche mit der EU plötzlich beendet und die Absicht geäußert, von Russland geführten Strukturen beizutreten.

Ethnische Spannungen

Kirgisien, eine der ärmsten ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien, hat keine offensichtlichen Separatismusprobleme, leidet aber unter ethnischen Spannungen im Süden des Landes, wo im Jahr 2010 Zusammenstöße zwischen lokalen Usbeken und Kirgisen über 400 Todesopfer forderten. Diesen Monat löste das Land das Transitzentrum des US-Militärs in der Nähe von Bischkek auf und erklärte seine Absicht, bis Ende des Jahres der Vorläufer-Zollunion der EaEU beizutreten.

Der Kreml bedient sich weiterer Mechanismen, um auf ehemalige Sowjetrepubliken zusätzlichen Druck auszuüben. Russlands Außenministerium hat gerade angekündigt, dass die Bürger von ehemaligen Sowjetstaaten, die keine Mitglieder der Zollunion oder der EaEU sind, ab dem ersten Januar nicht mehr ohne Reisepass nach Russland einreisen dürfen. Für die Einwohner dieser Länder wird dann wahrscheinlich eine Visapflicht folgen, was einige vor große Probleme stellen würde. Das Geld beispielsweise, das die schätzungsweise 1,5 Millionen in Russland lebenden und arbeitenden Tadschiken an ihre Familien nach Hause überweisen, ist für die tadschikische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung.

Auch hat Putin im April ein Gesetz unterzeichnet, das es russischsprachigen Einwohnern ehemaliger Sowjetrepubliken erleichtert, die russische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Der Zweck dieses Gesetzes, das nur einen Monat nach der russischen Annektierung der Krim entstand, lag zweifellos darin, eine rechtliche Grundlage für die Beschleunigung des Einbürgerungsprozesses von Einwohnern der Krim und der restlichen Ostukraine zu schaffen. Aber es könnte auch Millionen anderen russischsprachigen Bürgern von EaEU-Mitgliedstaaten die russische Staatsbürgerschaft ermöglichen und dazu verwendet werden, Druck auf Länder wie Estland oder Lettland auszuüben, in denen große russischstämmige Bevölkerungsgruppen leben.

Aber die EaEU entwickelt sich nicht völlig nach Putins Plan. Auf einer kürzlichen Sitzung der Eurasischen Wirtschaftskommission in Sotschi haben Belarus und Kasachstan den Vorschlag des Kreml abgelehnt, Zölle auf Importgüter aus der Ukraine zu erheben, falls das Land die EU-Assoziierungsvereinbarung unterzeichnet. Die Regierung von Belarus hält es für das souveräne Recht der Ukraine, Vereinbarungen mit der EU zu treffen, und gibt Anzeichen, selbst Zölle für Elektronikgüter aus Russland einführen zu wollen.

Behinderung als Ziel

So wie es aussieht, scheint die EaEU zwei Ziele zu haben: die Behinderung der Integration ehemaliger Sowjetrepubliken in den Westen und die Sicherung der Macht Putins. Wirtschaftlicher Fortschritt scheint nicht dazuzugehören.

Sollte die EaEU keinen spürbaren wirtschaftlichen Nutzen bringen, scheint sie dazu bestimmt, ein weiterer institutioneller Fehlschlag zu werden, wie bereits die Gemeinschaft unabhängiger Staaten, der Russisch-Belarussische Unionsstaat oder die Zentralasiatische Union. Der interne Verfall Russlands könnte dadurch sogar noch beschleunigt werden. (Merkhat Sharipzhan, Übersetzung aus dem Englischen: Harald Eckhoff, DER STANDARD, 16.7.2014)