Der Kurator und Kunstkritiker Vitus Weh wohnt in einer kleinen Wohnung im 4. Wiener Bezirk. Er erzählte Michael Hausenblas von einer verdichteten Wohnsituation, die ihm sehr gut passt.

"Ich wohne in einer netten Ecke des 4. Bezirks. Einer der Gründe, warum ich die Wohnung vor drei Jahren genommen habe, ist ihr Balkon, der auf einen großen Hinterhof mit einer Autogarage hinausgeht. Diese liegt unter riesigen Sägezahndächern. Wenn ich da so drüberschaue, ist es ein bisschen so, als würde ich aufs weite Meer blicken. Gerade beim Schreiben ist das immer wieder eine willkommene Minute.

Vitus Weh auf der Treppe zu seinem Hochbett. Seine beiden Kinder wohnen wechselweise bei ihm oder der Mutter und Ehefrau - für beide ein praktisches Modell. (Foto: Lisi Specht; Bildansicht durch Klick vergrößern)

Die Mietwohnung mit 70 Quadratmetern liegt im dritten Stock eines Jahrhundertwendehauses, das im Krieg von Bomben getroffen und dann reduziert wieder aufgebaut wurde. Im Nachbarhaus wohnt eine Familie mit einem kleinen Kind, das ebenfalls Vitus heißt. Der Name ist eher selten, deshalb ist es etwas irritierend, wenn die Eltern dort nach ihrem Vitus rufen.

Von den Räumlichkeiten her ist alles eher klein. Es gibt einen Vorraum, eine Wohnküche, einen Arbeits- und Schlafraum mit Hochbett und begehbarem Schrank, natürlich ein Bad und ein sehr kleines Wohnzimmer, an das zwei Kajüten für die beiden Kinder anschließen.

Meine Kinder, sie sind elf und sechs Jahre alt, wohnen abwechselnd bei mir und meiner Frau, eine Woche hier, eine Woche bei ihr, wobei meine Frau nicht weit von hier wohnt. Das erleichtert die Sache ungemein. Apropos: Die Kindergruppe liegt auch gleich gegenüber.

Meine Frau und ich sind glücklich verheiratet, aber getrennt zu wohnen ist für uns ein praktisches Lebensmodell, unter anderem, weil wir beide selbstständig sind und viele Abendtermine und Reisen wahrnehmen müssen. Auf diese Weise lässt sich leichter planen. Und für die Kinder ist das ganz normal.

Die Wohnung mit ihren Einbauten ist sehr dicht, man könnte von einer Art Merzbau oder Höhle sprechen. Und ich bin hier der Höhlenbär. Mir gefällt diese Art von Enge.

Wenn ich täglich in ein Büro zur Arbeit gehen müsste, hätte ich mich wahrscheinlich für eine größere Wohnung entschieden. Da ich aber an sehr vielen verschiedenen Orten außerhalb tätig bin, mag ich diese Höhlensituation ganz gern. Außerdem hab ich ja, wie gesagt, das weite Meer vor meinem Balkon.

Im Rahmen meiner Arbeit geht es viel um Räume und Ausstellungsarchitektur, um den Rhythmus zwischen Intimität und Weite, um jenen zwischen einer imaginierten Leere und einer Ortsspezifik. Es gibt viel Kunst in der Wohnung, die meisten Arbeiten sind getauscht, ich bekam sie für Katalogtexte oder Eröffnungsreden. Ohne Tauschhandel könnte ich mir diese Kunst auch gar nicht leisten. Ich umgebe mich im Gegensatz zu vielen Künstlern gern mit Bildern, aber ich bin ja auch kein Künstler.

Möbel im Sinne von Designstücken sind mir nicht wichtig, aber die Einbauten sind vom besten Zimmermeister.

Ob ich einen Wohntraum habe? Ja, den erfülle ich mir gerade. Ich kaufe ein Häuschen in Ungarn, nicht weit vom Neusiedlersee. Aufregend ist das. Ich komme ursprünglich vom Land, aus Südbaden in Deutschland an der Schweizer Grenze, nicht weit vom Bodensee. Ich liebe es, in der Ferne einen See zu sehen, mag aber auch Wien und das Stadtleben sehr gerne.

Jetzt hab ich dann halt beides. Und der Familie taugt's auch. Ich möcht ein bisschen garteln und überlege mir außerdem, Bienen anzuschaffen. Damit bin ich aufgewachsen. Zuerst einmal muss allerdings das Haus auf Vordermann gebracht werden. Es ist ein kleines Steinhäuschen aus dem Jahre 1922, eigentlich eine ziemliche Bruchbude. Da gibt es viel zu tun." (DER STANDARD, 19.7.2014))