Sobald im Nahen Osten der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern erneut eskaliert, erhitzt das auch stets hierzulande die Gemüter: Von Morddrohungen bis zu Schmähbriefen, ihn habe "der Hitler vergessen", war Ariel Muzicant, bis 2012 langjähriger Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens, vor allem auch in solchen Zeiten mit wütendem Antisemitismus konfrontiert ("die ganze Palette"). Angesichts aktueller Postings in den sozialen Netzwerken gegen Juden wie Muslime plädiert er im STANDARD-Gespräch aber trotzdem dagegen, die angedrohten Strafen für Verhetzung - derzeit bis zu zwei Jahre Haft - anzuheben, denn: "Das führt nur dazu, dass die Richter weiterhin vor Schuldsprüchen zurückschrecken."

Stattdessen spricht sich Muzicant dafür aus, dass die betreffenden Paragrafen "präziser definiert und auch angewendet werden". Und: "Bei den Strafen muss die Relation gewahrt bleiben." Es könne beispielsweise nicht sein, dass ein betrunkener Autofahrer, der jemanden niederfährt, weniger ausfasst als die sogenannten "Hassposter". "Aber es muss bei allem eine Grenze gezogen werden, das am Ende des Tages Gewalt auslösen kann", insistiert Muzicant.

Härtere Sanktionen angedacht

Wie berichtet, erwägt Justizminister Wolfgang Brandstetter härtere Sanktionen bei Verhetzung, seit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nach einen Friedensappell zum Nahost-Konflikt auf der eigenen Facebook-Seite gegen antisemitische Postings ankämpfen musste. Zuvor war Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) in einen Shitstorm geraten, weil sie sich in der Debatte um die Bundeshymne für die längst geltende Töchter-Version starkgemacht hat.

Auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer, seit seinem Engagement gegen das Binnen-I via E-Mails und Postings ebenfalls arg unter Beschuss, ist für "eine bessere Ausformulierung des unpräzisen Gesetzestextes", um damit eine abschreckende Wirkung zu erzielen - so würden die Täter bei entsprechenden Vergehen auch eher "angezeigt und auch erwischt". Hintergrund: Zwar langten in den vergangenen Jahren immer mehr Anzeigen wegen Verhetzung bei den Staatsanwaltschaften ein, doch nur wenige davon werden auch angeklagt. Konkret führten im Vorjahr nur drei Prozent aller derartigen Verfahren zu einer Verurteilung.

Löschen statt Liken

Seit Ausbruch der jüngsten Kampfhandlungen in Gaza beträgt die Löschquote auf derStandard.at bei diesem Reizthema zwischen 12 bis 18 Prozent - bei mehreren hundert Postings täglich. Zum Vergleich: In den Außenpolitik-Foren liegt diese Quote generell etwas höher als im Schnitt - konkret im Jahr 2013 bei elf Prozent.

Dazu Vorstand Alexander Mitteräcker: "Es scheint bei gewissen Themen ein enormes Aggressionspotenzial in der Bevölkerung vorhanden zu sein - das totzuschweigen macht keinen Sinn. Wie man aber tatsächlich damit umgeht, gilt es zu klären."

Für September plant die Regierung nun einen "Gipfel gegen Verhetzung", an dem sich auch Vertreter der Religionsgemeinschaften beteiligen sollen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 25.7.2014)