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Renato S. will nur ein bisschen der Sprayer "Puber" sein.

APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - Richter Wilhelm Mende leidet. Denn zu den 232 angeklagten "Puber" -Schriftzügen an Wiener Wänden und Türen kommen laufend neue hinzu. "Fünf waren es allein gestern", seufzt der Richter im Prozess gegen Renato S., der wegen schwerer Sachbeschädigung vor ihm sitzt.

Noch mehr leidet Mende unter den von der Polizei verfassten Anzeigen. Auf manchen Bildern ist viel Lack zu sehen, aber kein "Puber"-Graffito. Bei anderen stimmen die Adressen von Tatort und Aufnahmeort nicht überein. Und andere Graffiti kommen doppelt vor.

Der 30-jährige Angeklagte muss sich also stundenlang zu jedem einzelnen Faktum äußern. "Kann sein", meint er gelegentlich, meistens aber: "Das ist nicht von mir."

Ein Problem gibt es auch mit der Schadenssumme. Die liege "deutlich über 50.000 Euro", hatte Staatsanwalt Markus Berghammer am Mittwoch noch erklärt. Bei näherer Betrachtung kann Mende nun bei einigen Anklagepunkten keinen Schaden abschätzen. Zumindest einmal stellt sich heraus, dass sich die ursprünglich angezeigten 10.000 Euro auf 450 Euro reduziert haben.

S. selbst, unterstützt von seinen Verteidigern Josef Bischof und Katrin Ehrbar, sagt, er habe 20- bis 30-mal die Spraydose gezückt. Ein grafologisches Gutachten konnte nicht viel mehr Aufklärung bringen. Tatsächlich sind die Schriftzüge stilistisch teilweise so unterschiedlich, dass man vermuten kann: "Puber" sind viele.

Punkte, die Staatsanwalt Berghammer im Schlussplädoyer zu entkräften versucht. Die Sache sei, wie es im Juristenjargon heiße, ein "lebender Akt". Ständig würden neue Anzeigen eingehen, die Polizei könne dadurch den Überblick ein wenig verlieren.

Der Ankläger glaubt an einen Einzeltäter: Seit dem Wechsel von S. aus der Schweiz, wo ebenfalls wegen "Puber"-Schriftzügen ermittelt wird, nach Österreich habe es jenseits des Bodensees keine Sprayattacken mehr gegeben.

Eine entscheidende Frage hebt sich der Staatsanwalt bis zum Schluss auf: "Wofür steht ,Puber' überhaupt?" - "Das weiß ich nicht." - "Und was ist Ihre Motivation, den Schriftzug in ganz Wien zu hinterlassen?" - "Ich habe mir nichts dabei gedacht."

Richter Mende kommt schließlich zum rechtskräftigen Urteil, dass rund die Hälfte der "Puber" von S. stammen, der Schaden aber unter 50.000 Euro liegt: 14 Monate, davon vier unbedingt, die in U-Haft verbüßt worden sind.

Die möglicherweise schlimmere Strafe: Die gefundenen Spraydosen und Lackstifte werden konfisziert. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 25.7.2014)