Die - von einer Uno-Vertreterin im Irak kommende - Schreckensmeldung, dass der "Islamische Staat" (IS) auf dem von ihm kontrollierten Territorium die weibliche Genitalbeschneidung (FGM) einführen will, war mit Vorsicht zu genießen (an der mangelte es ein wenig im Standard), aber dennoch nicht stante pede völlig zu verwerfen. Eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, ist oft die Antwort auf eine unterbreitete Frage. Und die Frage an den Mufti der neuen Obrigkeit, ob FGM gut oder schlecht sei, ist in einer Gegend, in der die FGM eine gewisse Tradition hat, plausibel - und leider auch die Art der Beantwortung.

Dass das trotzdem etwas anderes ist als die verbreitete Meldung, dass vier Millionen Frauen zur Beschneidung gezerrt werden sollten, versteht sich. Sollte der "Islamische Staat" das versuchen, würde er sich wohl selbst rasch das Grab schaufeln. Die Stammessunniten, die die Jihadisten in Kauf nehmen, weil diese die Regierung Maliki vertrieben haben, würden sich gegen den IS wenden, so wie sie sich 2007 gegen Al-Kaida wandten.

Eine Prüfung der "Fatwa" hätte ergeben, dass sie entweder gefälscht oder nicht von jetzt ist. Aber auch die Uno-Beamtin, die die Alarmglocken läutete, hätte mehr Skepsis verdient: Denn sie behauptete, dass es FGM in der Gegend nicht gebe. Das ist falsch. Die Kurden haben sie 2011 verboten - weil sie ein real existierendes Problem war. Und ist. Wenigstens daran wurde wieder erinnert. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 26.7.2014)