Bild nicht mehr verfügbar.

Im ORF stehen Umbauarbeiten an.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - "Ich würde nicht ausschließen, dass Zuständigkeiten unter den Direktoren anders organisiert werden": Was ORF-Chef Alexander Wrabetz im STANDARD-Interview über Änderungen noch vor der nächsten ORF-Wahl 2016 sagte, lässt im ORF einige Menschen grübeln. Der Generaldirektor will den Satz übrigens vorerst nicht näher erklären - man tüftle noch an künftigen Strukturen, sagte er im Interview.

Klar ist: Ein gemeinsamer Newsroom für Radio, Fernsehen, Online und Co. - in der Information, aber auch Sport, Kultur, Wissenschaft, Unterhaltung - ist schwer mit Direktionen für Fernsehen und Radio samt Chefredakteuren für ihre Medien und Hauptabteilungen für die Genres in Fernsehen und Radio zu kombinieren.

Konfliktfall Mück

Klar ist auch: Ein zentraler Chefredakteur sorgte schon für aktuelle Fernsehinformation und TV-Magazine unter Generalin Monika Lindner für heftigen Widerstand der Redakteure gegen Werner Mück und sein Funktionsverständnis. Dieser öffentliche Widerstand bereitete 2006 das Feld für die Ablöse Lindners und die Wahl von Finanzdirektor Alexander Wrabetz zum General.

Nun geht es um die Information des weitaus größten österreichischen Medienhauses, um den Marktführer bis Marktbeherrscher in Radio, Fernsehen und Online.

Koordiniert an Bord holen

"Ich möchte jedenfalls eine Struktur, die von den betroffenen Mitarbeitern mitgetragen wird. Und wir brauchen eine Struktur für die Übergangszeit, bevor es räumlich so weit ist", sagte Wrabetz im Interview. Projektleiter für den Multimedia-Newsroom ist der frühere Radio-Chefredakteur Stefan Ströbitzer, Innovationschef in der Fernsehdirektion von Kathrin Zechner. Er soll wohl die vom Newsroom betroffenen Strukturen und Führungskräfte unter einen Hut bringen - oder an Bord holen, wie es im Managerdeutsch gern heißt.

Wie könnte Wrabetz nun Zuständigkeiten unter den ORF-Direktionen verschieben? Gravierende Änderungen - wie einst die Kultur zwischen Info- und Programmintendanz zu verlegen - erfordern die mehrheitliche Zustimmung des Stiftungsrats, wo SPÖ und ÖVP je 13 von 35 Mandaten haben. Kleinere Änderungen funktionieren auch ohne - wie das Radio-Archiv nun zum Fernseh-Archiv wandert oder die Wetterredaktion sich medienübergreifend organisiert.

Eine große Verschiebung wäre etwa, aus dem Radiodirektor einen Infodirektor zu machen. Eine grundsätzlich denkbare Variante - Karl Amon war Radio-, dann TV-Chefredakteur, bevor er Radiodirektor wurde. Seit er Stiftungsräten erklärte, dass sie sich doch bitte nicht in seine Budgetplanung einmischen sollten und die Ziele nun um zwei Millionen verfehlt, ist Amon allerdings nicht wirklich gut angeschrieben bei jenen, die darüber entscheiden.

Info-Direktion

Eine Infodirektion wird im ORF grundsätzlich als realistische Perspektive gehandelt - freilich eher erst mit der Wahl 2016. Auch Wrabetz bestätigte Überlegungen für einen Infodirektor als Gegenüber zu einem Programmdirektor oder einer Programmdirektorin, die Produkte und Senderchefs steuert. Auf diese Channel Manager für alle Kanäle legte sich Wrabetz nun recht deutlich fest.

Ein ORF-internes Modell sieht Channel Manager mit kleinen Infoteams vor, die sich aus dem Angebot einer medienübergreifenden Information(sdirektion) nach ihren Zielgruppen bedienen und dort auch Beiträge in Auftrag geben können.

Chefsache

Den Stiftungsrat bräuchte Wrabetz auch, wollte er die Information aus der TV-Direktion herauslösen und selbst übernehmen - was freilich anzunehmende Ambitionen auf Wiederwahl erschweren könnte

Chefredakteur in der Generaldirektion

Einen zentralen Chefredakteur des ORF über alle Medien gab es schon in der ORF-Generalintendanz beziehungsweise -Generaldirektion - mit wenig Kompetenzen, aber je nach ausübender Persönlichkeit bisweilen durchaus mit Wirkung. Die Funktion beschränkte sich allerdings über ihre letzten Jahre wesentlich auf die Koordination von Korrespondenten.

Wrabetz schloss einen Info-Manager nicht aus, verwies aber auch auf ein skandinavisches Modell: Ein Führungsgremium mit mehreren Mitgliedern für den gemeinsamen Newsroom, die etwa wochenweise die Leitung übernehmen könnten.

Pensionsreife

Die Zeit bis 2016 scheint jedenfalls ziemlich günstig, um die ORF-Strukturen grundlegend zu überarbeiten. Eine Vielzahl von Führungskräften erreicht - nummerisch - die Pensionsreife. Ein erster Überblick - ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Hauptabteilungsleiter

Hauptabteilungsleiter wie Heinrich Mis (Fernsehfilm) und Edgar Böhm (TV-Unterhaltung), Planungschef Werner Taibon, der interimistische Ö1-Chef Peter Klein (Literatur/Feature), TV-Wissenschafts- und Religionschef Gerhard Klein kommen langsam in die relevante Alterszone.

Landes- und andere Direktoren

Der Stiftungsrat hat 2016 voraussichtlich auch eine Reihe von Landesdirektoren neu zu besetzen: Gerhard Draxler in der Steiermark etwa (als potenzielle Nachfolgerin wird im ORF etwa Kathrin Zechner gehandelt - womit die Suche nach einer Direktorin in der Zentrale eröffnet wäre), Helmut Krieghofer in Tirol, Kurt Rammerstorfer in Oberösterreich und womöglich Brigitte Wolf in Wien (Chefredakteur Paul Tesarek gilt als Option).

Der Burgenlandesdirektor Karlheinz Papst indes erreicht die relevante Zone noch nicht, könnte seinen Job aber dennoch 2016 freimachen. Er wird als potenzieller Kandidat für eine Infodirektion gehandelt - oder eine Radiodirektion, wenn es die dann (siehe oben) doch noch geben sollte.

Kollege Roland Brunhofer in Salzburg passt seit der Wende bei den Landtagswahlen nicht mehr so recht zur Landesregierung, er soll ebenfalls Ambitionen auf einen Führungsjob in Wien gezeigt haben. Oberösterreich, aus dessen Landesstudio er kommt, ist dafür wohl zu bürgerlich regiert.

Kärntens Landesdirektorin Karin Bernhard hat in ORF-Stiftungsrat Siggi Neuschitzer einen wesentlichen Fürsprecher. ORF-Technikdirektor Michael Götzhaber wird in regelmäßigen Abständen als potenzieller Kärntner Landesdirektor gehandelt.

Der Erfinder von Markus Klement als Landesdirektor in Vorarlberg, Stiftungsrat Edelbert Meusburger, ist inzwischen aus dem obersten ORF-Gremium ausgeschieden.

Zentrale Fragen

Unter den Direktoren der Zentrale dürfte Karl Amon aus Altersgründen mit der bis Ende 2016 laufenden Funktionsperiode ausscheiden. Einen vorzeitigen Rückzug hat er stets ausgeschlossen.

ORF-General Alexander Wrabetz wirkt doch ziemlich ambitioniert, 2016 noch einmal zu kandidieren, auch wenn er das offiziell im Interview noch nicht sagen will. Für ihn gilt wohl ganz grundsätzlich wie für andere Direktoren: vorbehaltlich anderer, womöglich besserer Angebote aus Wirtschaft und/oder Politik. Aber leicht fällt der freiwillige Abschied vom ORF wenigen. (Harald Fidler, derStandard.at, 28.7.2014)