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Weniger Routinetätigkeiten und mehr Ausbildung sollen Jungärzte künftig machen dürfen.

Foto: APA/Fohringer

Im Spital heißen sie "Spritzenferdln", gemeint sind Turnusärzte, die ihren Arbeitstag mit Routinetätigkeiten wie Blutabnehmen, Spritzengeben und Formularausfüllen bestreiten. Das soll sich nun ändern: Ärztekammer und Gesundheitsministerium haben sich auf eine neue Ärzteausbildung geeinigt. Statt bisher drei Jahren Turnus soll nun eine neunmonatige Basisausbildung her.

Thomas Szekeres, Chef der Wiener Ärztekammer, will so dem Ärztemangel entgegenwirken, vor dem die Ärztekammer seit Jahren warnt. Die Zahlen sprechen eigentlich eine andere Sprache: In Wien gibt es derzeit 12.000 Ärzte, zahlenmäßig genug, allerdings sind darin auch Ärztinnen, die in Teilzeit tätig sind, enthalten.

Studium in Österreich, Arzt in Deutschland

Das größere Problem sind aber sinkende Absolventenzahlen - und dass fast ein Drittel der Jungärzte ins Ausland wechselt, um den Turnus zu umgehen. "Wir bilden viele Mediziner aus, haben aber nichts davon, wenn sie weggehen", sagt Szekeres. Waren es Anfang der 1990er-Jahre noch 20.000 Absolventen pro Jahr, sind es heute 13.000, davon 20 Prozent EU-Bürger, der Großteil aus Deutschland. Das Paradoxon: Viele Deutsche kommen her, um hier zu studieren, gehen aber wieder zurück. Viele Österreicher studieren in Österreich, gehen für die weitere Ausbildung nach Deutschland und bleiben auch dort.

Neben Deutschland ist vor allem die Schweiz begehrt. Dort können die Absolventen gleich mit der Facharztausbildung beginnen, was zwar in Österreich bisher theoretisch ebenfalls möglich war, aber praktisch kaum umgesetzt wurde, weil die meisten Spitälern den Turnus voraussetzten. Auch Bezahlung und Ausbildung sind in der Schweiz besser, zudem werden Anreize wie günstige Wohnungen gesetzt.

Keine Wartezeit mehr

Das Abwanderungsproblem ist kein Neues. Seit etwa fünf bis zehn Jahren ist es bekannt, reagiert wurde aber erst vor zwei Jahren. Ein Indikator für den Mangel: Bis vor wenigen Jahren mussten angehende Ärztinnen auf einen Turnusplatz in Wien gut zwei Jahre warten, heute gar nicht mehr.

Die neue Ausbildung soll laut Szekeres den Arztberuf wieder attraktiver machen. Der Entwurf wurde in Begutachtung geschickt, Anfang 2015 soll das Gesetz in Kraft treten. In den neun Monaten sollen Grundlagen der häufigsten chronischen Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermittelt, aber auch chirurgische Fähigkeiten gelehrt werden. Daran anschließen soll die Facharztausbildung beziehungsweise die Ausbildung zum praktischen Arzt.

Neu ist: Ein halbes Jahr müssen angehende praktische Ärzte in Lehrpraxen verbringen. Ein Modell, das beispielsweise in Vorarlberg gut funktioniert. Allerdings fordert die Ärztekammer hier eine Kofinanzierung durch Sozialversicherungen und die Länder. Sonst zahle der Ausbildner drauf, sagt Szekeres, da sich die Allgemeinmediziner kaum den kollektivvertraglichen Lohn für Turnusärzte leisten können.

Pensionierungswelle

Außerdem müssen angehende praktische Ärzte Module in Psychiatrie und Orthopädie absolvieren, weil auf diese Fachgebiete die häufigsten Erkrankungen zurückzuführen sind, sie aber bisher in der Ausbildung nicht berücksichtigt wurden.

Bisher dauert die Facharztausbildung 15 Jahre: sechs Jahre Studium, drei Jahre Turnus und sechs Jahre Facharztausbildung. "Ein fertiger Facharzt ist dann schon sehr erwachsen", sagt Szekeres. Wenn der Turnus wegfällt, sind es zwölf Jahre.

Der Ärztemangel ist aber auch ein hausgemachtes Problem: Seit 2006 gibt es in Österreich Zugangsbeschränkungen für das Medizinstudium, hier könnte man mehr Studenten zulassen. Außerdem rechnet die Ärztekammer mit einer Pensionierungswelle in den nächsten Jahren. In einigen Fachbereichen wie Anästhesie, Psychiatrie und Pathologie gebe es jetzt schon einen "spürbaren Mangel". (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 31.7.2014)