"Willkommen in den vollklimatisierten Räumlichkeiten der Allander Tropfsteinhöhle", begrüßt uns der staatlich geprüfte Höhlenführer Theo Reder. Tatsächlich bietet das kühle Erdinnere einen idealen Zufluchtsort an heißen Sommertagen. Der Ausflug in die ewige Dunkelheit und Stille führt aber auch in eine Schatzkammer voller unscheinbarer Wunder.

Der Abstieg zur Allander Tropfsteinhöhle
Foto: Roman Klementschitz, Wien - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Nähert man sich dem Buchberg vom Allander Hauptplatz über die Groisbacher Straße und die Buchberggasse – Gehzeit rund 20 Minuten -, scheint sich dieser in keiner Weise von den vielen anderen bewaldeten Hügeln des Wienerwalds zu unterscheiden. Nur die kleine Klufthöhle macht ihn zu etwas Besonderem. Wann die Höhle entdeckt wurde, sei ungewiss, sagt Reder, theoretisch könnte sie schon von den Kelten oder Römern betreten worden sein, deren beider Spuren auf dem Gipfel des Buchbergs gefunden wurden.

Heilende Luft

Wir verlassen den Tag durch ein rund zweieinhalb Meter großes Felsentor und steigen über eine lange Leiter hinunter. Konstant neun Grad Celsius kühle Luft strömt uns entgegen, Luft, die ob ihrer Reinheit und ihres Radongehalts als heilend gilt, erklärt Reder. Dennoch spricht er auch eine Warnung aus: "Vorsicht, Kopf einziehen und beim Leiterkraxeln immer eine Hand an der Sprosse lassen!" Die Gänge sind teilweise so schmal und niedrig, dass es einer gewissen Sportlichkeit bedarf, um sie ohne Blessuren zu passieren.

Der erste größere Hohlraum, den wir erreichen, wird "Nix-Dom" genannt. "Nix" ist das lateinische Wort für Schnee, denn hier überzieht ein weißer Gesteinsbelag aus Kalzit die Felswände. Was auffällt, ist die grüne Färbung der Decke, die von der sogenannten Lampenflora aus Algen, Moosen und Farnen herrührt, die sich um die Beleuchtungskörper ansiedelt.

Zwerge im Hohen Dom

Die Künstlerin Natur hat hier Sintergebilde geschaffen, die die Fantasie anregen. So treffen wir unterwegs auf Rehskulpturen, auf Saurüssel und auf Zwerge. Zwölf Meter steigen wir bis zur Sohle der Höhle hinab und dringen 70 Meter in die insgesamt 177 Meter tiefe Höhle vor. Im "Hohen Dom" erreichen wir schließlich den tiefsten Punkt der Tour und dort die "Schatzkammer", die der Sage nach von einem Säbelzahntiger bewacht wird.

Sinterablagerungen in der Allander Tropfsteinhöhle, teilweise mit Algen überwachsen, genannt "Broccoli"
Foto: Roman Klementschitz, Wien - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

Am interessantesten ist jedoch, was die Tropfsteine zu erzählen haben. Für einen einzigen Zentimeter Sinteraufbau braucht es rund 1000 Jahre, Zeit genug, um einen Einblick in die Vergangenheit zu konservieren: An den "Ringen" eines Tropfsteins lässt sich jede dramatische Klimaänderung, jede Eiszeit und jede klimatische Besonderheit ablesen.

Bewohner und Besucher

Von der tiefsten Stelle steigen wir hinauf in den "Wurzelschlot", wo die Wurzel eines Baumes ins Höhleninnere gedrungen ist – ein Zeichen dafür, wie knapp unter der Erdoberfläche wir uns befinden. Ansonsten scheint die Höhle leblos, obwohl es in Wirklichkeit permanente Bewohner wie Höhlenheuschrecken oder -spinnen und ständige Gäste wie Fledermäuse geben soll. Die älteste Höhlenbewohnerin blieb unfreiwillig hier – eine Braunbärin, deren Knochen wir in einer tiefen Kluftfuge zu sehen bekommen. Das Tier muss sich vor etwa 10.000 Jahren in die Höhle verirrt und nicht mehr hinausgefunden haben.

Der Urwald von morgen

Weil wir noch wissen wollen, wie es über der Höhle ausschaut, steigen wir auf einem unmarkierten Pfad durch die "Naturwaldinsel Buchberg" zum höchsten Punkt des Berges hinauf. Der rund 200 Jahre alte Mischwald bleibt der Natur überlassen, was einen wertvollen Lebensraum für Fauna und Flora ergibt – und den Urwald von morgen. Am Weg liegt auch der "Allander Fensterblick", eine Aussichtsloge mit freistehendem Guckloch, durch das Alland und die Umgebung wie durch das Fenster einer Hütte zu sehen sind.

Der Gipfel selbst ist höchst unscheinbar, doch gerade bei diesem Wienerwaldgupf gilt: Was zählt, sind die inneren Werte. (Thomas Rabauske, Album, DER STANDARD, 02.08.2014)