cover: haymon verlag

Der Christoph Winder - welche ALBUM-Leserin, welcher ALBUM-Leser genösse das nicht Woche für Woche? - ist ein ordentlicher Saubartel, der mit seinen kleinen, allwöchentlichen Unanständigkeiten eine anständige Fangemeinde um sich zu scharen wusste. Von Robert Sedlaczek, mit dem Winder die Liebe zu jenen sprachlichen Ecken teilt, in denen noch nicht zusammengekehrt wurde mit dem Besen des grassierenden Schönsprechs, weiß man zum eigenen Nutzen, dass er ein sehr lexikalischer Charakter ist. Kein Besen, sondern ein Staubsauger, in dessen Beutel sich dann zum Beispiel Das unanständige Lexikon findet, das mit grellem Licht - und lesbarem Wohlgefallen - hineinleuchtet ins Gemunkel der Ecken.

Emsig und mit rechtschaffenem Forscherdrang sind die beiden durch den deutschen Sprachraum gezogen mit ihrer verbalen Botanisiertrommel. Von " Aa ma|chen <hat> [sieh Aa] (kindersprachlich): Kot ausscheiden: ..." über "Kö|tel|puurt, Kö|tel|purt, die [1. Bestandteil: siehe Kötel; 2. Bestandteil: siehe Kiste] (ndd.): Anusöffnung" bis zu "Zyklop, der; -en, -en [...; siehe Nudelauge, Auge und einäugig]: Penis" findet sich sehr, sehr vieles, was im Deutschen verständlicherweise wenig Rang, aber deshalb umso mehr anschauliche Namen hat.

Mag sein, es ist den beiden Forschern erst während der - ins wahrhaft Uferlose weisenden - Arbeit klargeworden, was den eigenartigen Reiz dieses "Tabuwörterbuchs der deutschen Sprache und ihrer Herkunft" ausmacht. Jedenfalls verweisen sie in ihrer Einleitung ausdrücklich auf die merkwürdige regionale Spannung gerade im Schweinigln, wie sie anhand des harmlosen Wortes "pissen" im Gegensatz zum doch heftigen Wort "brunzen" anschaulich machen. Eine Bekannte aus dem Rheinland habe sich echauffiert darüber, dass die Stadt Wien die aus alten Autoreifen fabrizierten Hundeklos hochoffiziell "Pissringe" nennt. Ja, wie denn sonst, so die Autoren, Brunzringe etwa? "Ja, das wäre lustig gewesen."

Leicht etwas Neckisches

Dem Ordinären in der Ferne gewinnt man leicht etwas Neckisches ab. Für Wiener Ohren klingt zum Beispiel "poppen" recht herzig. Umgekehrt lacht schon der bayrische Kabarettist Michael Mittermeier herzlich über jenes "Pudern", das - schüfen Sedlaczek/Winder nicht fallweise Ausnahmefälle - in keiner österreichischen Zeitung geschrieben werden könnte. Außer um den Preis eines ausgewachsenen Shitstorm - welcher dann noch einmal eine andere Geschichte wäre.

"Die Menschen im deutschsprachigen Raum", schreiben die beiden, "unterscheiden sich durch die unanständigen Wörter, die sie verwenden - diese Wörter haben manchmal sogar den Charakter eines Schibboleths." Eines dieser Codewörter wäre das wienerische "schustern", das denn auch brav aufgenommen worden ist zwischen dem anmutig schüttelnden "Geh Schüsserl beißen!" und dem unmissverständlichen "sich einen schütteln".

Aber die dann ausgeführte Etymologie ist wenig mehr als "ein Schas mit Quasteln [Diminutiv zu Quaste (= Büschel von zusammengebundenen Fäden); vgl. Furz mit Fransen und Pup mit Purschel]". Denn natürlich hat das nichts mit dem ehrenwerten Handwerk zu tun. Sondern mit dem schönen "prosoustat", von dem zuletzt Karel Schwarzenberg als tschechischer Außenminister im diplomatischen Verkehr Gebrauch gemacht hat, um auszudrücken, was Silvio Berlusconi so tue den lieben langen Tag, statt zu regieren.

Dieses schöne, inspirierende -aber auch zum Nachdenken anregende - Buch sei aber eh, so die Autoren, erst "ein erster Versuch". Könne gar nichts anderes sein, weshalb um reichlich Ergänzendes gebeten wird (unanstaendiges@robertsedlaczek.at). (Wolfgang Weisgram, Album, DER STANDARD, 2./3.8.2014)