Im Bildungsbereich scheint nicht einmal mehr die Politik der kleinen Schritte möglich zu sein. Jetzt überlegt ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka in den "Oberösterreichischen Nachrichten", den Ausbau der Neuen Mittelschule zu stoppen, wenn die Evaluierung der neuen Schulform schlecht ausfallen sollte. Im "Ernstfall" will er die Reform rückgängig machen. Ein Ausbaustopp würde den Fleckerlteppich der österreichischen Bildungslandschaft vergrößern, eine Rückkehr zur Hauptschule die ohnehin zögerlichen Bildungsreformen um Jahre zurückwerfen.

Würde man den Ausbau der Neuen Mittelschule stoppen, gäbe es dauerhaft in der ersten Sekundarstufe drei Schulformen: die Hauptschule, die Neue Mittelschule und das Gymnasium. Statt eines gemeinsamen Unterrichts für alle Zehn- bis 14-Jährigen, wie ihn viele Experten empfehlen, gäbe es dann eine Aufteilung der Schüler auf noch mehr Schultypen. Die Chancengleichheit würde damit weiter verringert, die Hauptschule noch mehr zur Restschule verkommen.

Wenn die Neue Mittelschule wieder abgeschafft würde, gäbe man der neuen Schulform nicht einmal die Chance, Konzeptionsfehler auszubügeln. Die Reformansätze, etwa die Abschaffung der Leistungsgruppen und das Team-Teaching, würden nicht weiterentwickelt. Im schlimmsten Fall werden diese Errungenschaften wieder zurückgenommen.

Dass die Neue Mittelschule nicht die Ergebnisse bringt, die sich die SPÖ versprochen hat, ist klar. Das liegt aber auch daran, dass die Neue Mittelschule ein Kompromissprodukt von ÖVP und SPÖ ist: Zur Gesamtschule konnte man sich nicht durchringen, also wurde ein Hybrid geschaffen. Das Problem, dass in vielen Klassen in den Städten weiterhin überwiegend schwache Schüler sitzen, mit denen die Lehrer überfordert sind, bleibt.

Mit seiner Forderung beweist Lopatka nicht nur, wie rückwärtsgewandt die Bildungspolitik der ÖVP ist, sondern auch, dass die Volkspartei anscheinend immer noch nicht verstanden hat, wie satt die Wählerschaft das Hickhack zwischen SPÖ und ÖVP hat. Wenn jetzt, nachdem endlich zumindest die Hauptschule ein bisschen reformiert wurde, eine Debatte über die generelle Sinnhaftigkeit der Neuen Mittelschule ausbricht, kommen die Bildungsreformen zu einem völligen Stillstand.

Die Volkspartei hat immer versucht, die Neue Mittelschule möglichst klein zu halten. Dass Lopatka nun das Sommerloch dazu nützt, der SPÖ eins auszuwischen und ihr die Fehler des Prestigeprojekts unter die Nase zu reiben, zeigt, wie wenig ernst es die ÖVP mit den Schulreformen meint. (Lisa Aigner, derStandard.at, 1.8.2014)