Fast alle Tiroler Urlaubsorte beschäftigen Wanderführer, viele auch Bergführer und Skilehrer. Aber Rennrad-Guides wie Anja gibt es nur wenige. Die junge Frau, die seit Kindheitstagen ihre Tage am liebsten auf zwei Rädern verbringt, arbeitet für das Tourismusbüro des Ferienlands Kufstein und hilft sportlichen Gästen, die besten Radrouten in der Gegend zu finden. Manchmal geht es gemächlich dahin, doch wenn der Geschwindigkeitsehrgeiz eines - meist männlichen - Gastes überhand nimmt, dann spürt es auch Anja in den Beinen.

Foto: Ferienland Kufstein/Alex Gretter


Hochburg für Rennradler

Tirols zweitgrößte Stadt, die man meist nur vom Vorbeifahren mit Auto und Bahn kennen, mit ihrer markanten Festung, hat sich in den vergangenen Jahren auch zu einer Hochburg für Rennradler entwickelt. Das liegt vor allem an der Topografie des unteren Inntals. Zwischen dem ebenen, durchwegs asphaltierten Innradweg und zahlreichen Mountainbikestrecken, die anderen in Tirol kaum nachstehen, gibt es parallel zum Inn und hinein nach Bayern ein riesiges Netz von kaum befahrenen Nebenstraßen mit sanften Steigungen, das auch halbfitten Radlern etwas Tour-de-France-Gefühl ermöglicht.

Wilder und Zahmer Kaiser

Wer nicht ständig auf die Karte schauen will, um die nächste Abzweigung zu finden, der lässt sich von Anja führen. Und sie bleibt auch mitten auf der Strecke stehen, um auf einen besonders schönen Blick hinzuweisen. Denn kaum ist man einige Höhenmeter über den Inn geklettert, öffnet sich das Panorama des Wilden und des Zahmen Kaisers, der Kitzbühler Alpen und des bayerischen Alpenvorlandes. Wem das alles zu zahm ist, der hat zahlreiche Mountainbikestrecken vor der Haustür.

Foto: Tiroler Festspiele


Stille Bergseen und Almen

Aber man muss nicht radverrückt sein, um die als "Ferienland Kufstein" vermarktete Region an der Grenze zu Bayern zu genießen. Das Kulturangebot ist phänomenal, und das Kur- und Wellnessangebot, vor allem im auf einem Hochplateau gelegenen Bad Häring, wächst ständig. Und wenn nicht gerade "Vignettenflüchtlinge" aus Deutschland die Straßen der Stadt verstopfen, gelangt der Gast innerhalb von Minuten aus dem hektischen Inntal zu stillen Bergseen und Almen, auf denen die Zeit stillzustehen scheint.

Wildromantische Wege

So etwa ins Kaisertal, das durch die jahrelange Diskussion über den Bau eines teuren Straßentunnels für 80 Einwohner berühmt wurde. Für Wanderer ist es weiterhin nur über 300 Stufen erreichbar, die gleich hinter Kufstein hinaufführen. Auch das hält an Wochenenden die Massen nicht fern. Verständlich, denn die Wege durch das Tal sind wildromantisch und dennoch bequem.

Foto: Festung Kufstein / Top-City-GmbH


Promi-Gefängnis der Habsburger-Monarchie

Das Herz von Kufstein aber ist die Festung, hinter deren dicken Mauern sich 600 Jahre tirolerisch-bayerische Geschichte verbirgt. Maximilian I. nahm die Burg einst ein und ließ sie in ihrer heutigen Form ausbauen. Im Kaisertum entstand das Promi-Gefängnis der Habsburger-Monarchie, in dem im 19. Jahrhundert vor allem ungarische Rebellen einsaßen.

Faszinierend ist der über 25 Jahre durch das harte Gestein gebohrte Tiefe Brunnen, über den man noch heute Wasser aus dem Inn 60 Meter auf die Festung ziehen könnte. Und die größte Freiluftorgel der Welt mit fast 5.000 Pfeifen wird täglich um 12 Uhr mittags von einem Organisten im Festungshof bespielt, ihr Ton erschallt weit nach Bayern hinein.

Wetterfeste Arena

Ebenso auffällig ist die große weiße Überdachung, die aus der Festung eine wetterfeste Veranstaltungstätte gemacht hat, mit dem am Freitag mit My Fair Lady eröffneten Operettensommer als alljährliche Hauptattraktion.

In einer anderen kulturellen Liga spielen die Tiroler Festspiele im nahegelegenen Erl, wo der Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner dem Festspielgründer Gustav Kuhn im Vorjahr neben das kreisrunde Passionsspielhaus ein kantiges Festspielhaus hingebaut hat, das ganzjährig bepielt werden kann. Kuhns Wagner-Aufführungen - heuer und 2015 gibt er wieder den „Ring“ - sind bereits legendär, über Weihnachten wird vor allem Mozart gespielt. Selbst wenn es den Radlern zu kalt wird, hat Kufstein etwas zu bieten. (Eric Frey, Album, DER STANDARD, 02.028.2014)