Bild nicht mehr verfügbar.

Alles weist darauf hin, dass die Daten von der NS-Meldestelle durch Akteneinsicht zu den Alpen-Donau-Betreibern gelangt sind

Foto: APA

Dass Namen, Telefonnummern und Adressen zweier Hinweisgeber der NS-Meldestelle auf ebenjener Website auftauchten, die sie gemeldet hatten, sorgt für Aufregung - vor allem, da die Vorgänge möglicherweise rechtlich gedeckt sind. Wie die Betreiber der rechtsextremen Website Alpen-Donau.info zu den Daten der Personen gelangt sind, bleibt allerdings weiter fraglich – und bringt die Diskussion über den Umgang mit Akteneinsicht erneut ins Rollen.

Das Justizministerium zeigt sich irritiert. Man habe einen Berichtsauftrag eingeleitet und werde die Sache prüfen, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Zusätzlich fordere man eine Sensibilisierung – auch beim Verfassungsschutz.

So forderte Justiz-Sektionschef Pilnacek im Ö1-"Mittagsjournal", dass schon der Verfassungsschutz die betreffenden Daten schwärzen hätte sollen, bevor er sie an die Staatsanwaltschaft übermittelt habe.

"Nennung nur nötig, wenn eigene Wahrnehmung"

Die Tatsache, dass im Zuge einer Akteneinsicht solche sensiblen Daten weitergegeben werden könnten, wird auch von Staatsanwalt Gerhard Jarosch heftig kritisiert. Er ist der Meinung, dass man Verfahrensbeteiligte schützen müsse.

Versuche, solche Veröffentlichungen zu sanktionieren, seien in der Vergangenheit immer politisch gescheitert. Aber man könne überlegen, dass personenbezogene Daten von Opfern, Beschuldigten und Zeugen prinzipiell nicht in den Akt kommen - also technische Vorkehrungen getroffen werden, dass die Polizei diese Daten zwar erfasst, aber die anderen Verfahrensbeteiligten sie nicht einsehen können. "Tatsächlich wären die Anzeiger nur dann als Zeugen nötig, wenn sie eigene Wahrnehmungen haben", so Jarosch auf Anfrage des STANDARD.

Alpen-Donau-Betreiber: "Wir schützen unsere Informanten"

Wie berichtet, hat die einschlägig bekannte Website Alpen-Donau am vergangenen Sonntag sensible Daten zweier Personen veröffentlicht, die bei der NS-Meldestelle Anzeige gegen Alpen-Donau eingereicht hatten. Zusätzlich gab die Website an, über eine "komplette Liste“ mit allen Anzeigern zu verfügen. Alpen-Donau-Betreiber Richard P. wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern. "Wir schützen unsere Informanten“, so P. zum STANDARD.

Verfahrenstechnische Gründe

Auch bei der Staatsanwaltschaft Wien konnte man am Dienstag noch keine neuen Informationen zur Causa bereitstellen. Ob im Zuge der Akteneinsicht tatsächlich eine Liste aller Personen ausgegeben wurden, die Alpen-Donau.info bei der NS-Meldestelle angezeigt hatten, muss erst ausgeforscht werden. Die Frage, wer Akteneinsicht erhielt und ob Kopien angefertigt wurden, darf weiterhin, so die StA Wien, aus verfahrenstechnischen Gründen nicht beantwortet werden. Für den Fall zuständig ist Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter, der zuletzt für seine Arbeit im Fall Josef S. starke Kritik einstecken musste.

Laut Strafprozessordnung haben die Verfahrensbeteiligten aber prinzipiell das Recht der Akteneinsicht und der Anfertigung von Kopien. In Paragraf 54 ist auch ein Verwertungsverbot formuliert, dass die Veröffentlichung personenbezogener Daten anderer Beteiligter oder Dritter, die "nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen" sind, untersagt - aber keine Strafdrohung enthält. Gegen solche Veröffentlichungen vorgehen können Betroffene über das Persönlichkeitsschutzrecht.

Aus dem Kanzlei der Medienanwältin Maria Windhager heißt es, dass im konkreten Fall durch die Veröffentlichung von Namen, Telefonnummern und Adressen ein "Verstoß" gegen bestehende Gesetze vorliege, der verfolgt werden könne. Durch die Aufforderung, "Fanpost" an die beiden Hinweisgeber zu verschicken, könnte unter Umständen auch der Tatbestand des Cyberstalking erfüllt werden, so die Kanzlei Windhager weiter.

Gegen Rechtsextremismus

Personen, die sich auf diese Weise engagieren, hätten zusätzlich die Möglichkeit, bei der Meldestelle den vertraulichen Umgang mit ihren Daten anzufordern. Zusätzlich müsse man in einem Land wie Österreich auch dazu stehen können, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren, ergänzt der Rechtsanwalt Alfred Noll auf Anfrage des STANDARD.

"Lebensfremd“

Allerdings hätte der Staatsanwalt selbst die Daten schwärzen können: Die StPO gestatte ausdrücklich, Daten und andere Fakten, die Rückschlüsse auf die Identität gefährdeter Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und nur solche Kopien auszufolgen, in denen diese Informationen unkenntlich gemacht wurden, betonte der grüne Abgeordnete Harald Walser in einer Aussendung. Deshalb ist es für ihn ein "unglaublicher Skandal", dass "persönliche Daten von AntifaschistInnen an militante Rechtsextreme durch österreichische Behörden" weitergegeben wurden.

Denn der Betreiber der Website "Alpen-Donau.info" sei ein amtsbekannter Neonazi, der 2012 in erster Instanz wegen NS-Wiederbetätigung und schwerer gemeinschaftlich begangener Körperverletzung – noch nicht rechtskräftig – verurteilt worden sei. Walser kündigte parlamentarische Anfragen an das Innen- und Justizministerium an.

Auch sein grüner Parteikollege, Justizsprecher Albert Steinhauser, zeigt sich "selbst überrascht" und nennt die Entscheidung "lebensfremd". Aus den andere Parteien war bislang niemand für eine Stellungnahme erreichbar. (fsc/APA, derStandard.at, 5.8.2014)