Zwei kampflustige Kontrahenten, ein wohlinformiertes Studiopublikum, gut eine Million TV-Zuseher - die erste Live-Debatte zwischen den Führungsfiguren der Kampagne für oder gegen die schottische Unabhängigkeit hat unter Beweis gestellt: In der britischen Nordprovinz wird ernsthaft über Chancen und Risiken nachgedacht, die eine Loslösung von London mit sich brächte.

Nicht so im Rest des Landes. Umfragen zufolge spielt die Frage über die Zukunft und das mögliche Auseinanderbrechen der Union im zehnmal so bevölkerungsreichen England kaum eine Rolle. Der dort ausgestrahlte Kommerzsender ITV mochte die spannende Polit-Kost des schottischen Schwestersenders gar nicht erst übernehmen. Lieber langweilte man die Zuseher mit einer Gartensendung. Auch im Internet wurden viele politisch Interessierte südlich des Hadrianswalls nicht fündig.

Man mag das Phlegma für liebenswert halten. Zudem mag es auch berechtigt sein, denn Umfragen sechs Wochen vor der Volksabstimmung weisen darauf hin, dass die Schotten mehrheitlich am Status quo festhalten wollen.

Aber gerade den Engländern täte es gut, genauer hinzuhören. Schließlich wirft schon die Debatte wichtige Fragen auf zum Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft, zum sozialen Zusammenhalt, zur Zukunft eines alternden Landes. Ob Groß- oder Kleinbritannien: Das Thema wird die Politik auf Jahre hinaus beschäftigen. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 7.8.2014)