Was junghält: weg von den Bildschirmen, rein in die Natur - Hauptsache, in Bewegung bleiben.

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Bewegung verlängert das Leben. Nein, besser gesagt: Sich nicht oder wenig zu bewegen verkürzt es. Der menschliche Organismus ist nicht darauf ausgerichtet, den Großteil seines Lebens sitzend und körperlich inaktiv zu verbringen. Wir sind Bewegungstiere, die Evolution hat dem Menschen einen leistungsfähigen motorischen Apparat mitgegeben. Ihn zu benutzen liegt in seiner Natur.

Tägliches Laufen

Eine aktuelle US-Studie der Universität Iowa mit 55.000 Teilnehmern zeigt, dass tägliches Laufen zwischen fünf und zehn Minuten für die Gesundheit ebenso günstig ist wie ein intensives Lauftraining von mehreren Stunden pro Woche. Auch das Lauftempo hat wenig Bedeutung. Das regelmäßige Laufen, egal wie weit oder schnell, erhöht der Studie zufolge die Lebensdauer des Menschen im Durchschnitt um drei Jahre gegenüber Nichtjoggern. Mit wenig Aufwand wäre also viel zu gewinnen. Warum es also nicht tun?

Wer sein Dasein als Bewegungsmuffel beenden will, hat heute technische Hilfsmittel an der Hand, die ungesundes Dasein in Zahlen anzeigen. Activity-Tracker heißen solche Bänder wie etwa Polar Loop. Es ist ein schwarzer Armreif mit kleinem Bildschirm, der vom Hangelenk aus die tägliche Schrittanzahl zählt und anzeigt, Kalorienverbrauch inklusive. Ein "Anstachler", der einem nach acht Stunden nonstop auf dem Bürostuhl klebend klar zu verstehen gibt: "Du hast dein Pensum noch nicht erfüllt. Mach was!" Zum Armband gehört eine App, die einem jeden Tag wieder sagt, ob das Leben heute gesund war.

Beim Anlegen des schwarzen Gummibandes ist Feinmechanik gefragt. Das Armband muss erst einmal zugeschnitten, der Verschluss montiert werden - ohne Geschick keine Fitness. Die Computertechnik macht dann weniger Zicken. Problemlos verbindet sich die Smartphone-App mit dem Armband. Problemlos verläuft die Synchronisation mit dem Notebook. Dort wird ein Kalender gezeigt, den es nun also mit selbst ausgeführten, sportlichen Statistiken zu füllen gilt. Vertrauensvoll überantworte ich dem System meine persönlichen Daten: Geburtsdatum, Gewicht und die Information, dass ich "sitzende" Tätigkeit verrichte. Datenschutz? Ich hoffe, das System hält dicht.

Nun beginnt das Leben mit Armband, zum Einstieg mit der Büroarbeit. Ein Blick aufs Handgelenk, ein gelegentlicher Stupser aufs berührungssensitive Eingabefeld zeigen: "Erst 28 Schritte." Das ist der Weg in die Küche und zurück. Das System schlägt vor: "Erreiche dein Ziel mit: 47 Minuten Gruppentraining. 2h 34 min leichtem Tanzen. 5h 50 min Abwaschen." Aha, nicht nur Laufen, sondern jede Art von Bewegung ist okay. Zum Glück liegt viel Arbeit auf dem Schreibtisch.

"Goal!" Endlich gesund gelebt

Ziemlich schnell nimmt die App aber wieder Kontakt mit mir auf und mahnt: "Zeit für etwas Bewegung! Du warst wieder eine Stunde inaktiv." Der Druck steigt. Ein Nervenkrieg, der den ganzen Arbeitstag andauert. Erst 500 Schritte von geforderten 10.000 pro Tag. Das Armband will "noch 56 Minuten laufen." Ich gebe nach. Laufen. Jetzt. Sofort. Beim Activity-Tracker ist ein Herzfrequenzsensor dabei. Den schnalle ich um, packe das Handy und starte.

Beim Laufen zeigt das System den Kalorienverbrauch, zählt im Countdown, wie lange das Jogging noch dauern muss. Endlich erscheint am Armband der erlösende Schriftzug "Goal!" Großartig. Gesund gelebt. Für einen Tag. Dazu kann man sich jetzt gratulieren.

Und wie ist das mit der langfristigen Wirkung des Activity-Trackers? Das Spiel mit dem Armband verliert nach ein paar Wochen seine Attraktivität. So verführerisch das Beobachten der eigenen Aktivität zu Beginn ist, so schnell flaut der Reiz wieder ab. Armband hin oder her: Die Überwindung des inneren Schweinehunds steht stets am Beginn. Entweder man läuft los - oder eben nicht. Meine persönliche Bilanz: "Nicht schaffen" ist bei mir selten, hat der Tracker gezeigt. Das Sammeln von anderen Aktivitätsformen, etwa "Abwaschen", "Putzen" oder "Gitarre spielen im Stehen", liegt mir weniger. Allerdings ist gut vorstellbar, dass das Armband für weniger fitte Menschen, die Laufen nicht mögen, eine Unterstützung sein könnte.

Nach ein paar Wochen in Bewegung könnte nämlich Routine Einzug gehalten haben. Was einen motiviert, ist schließlich nicht so entscheidend: Es kann die Freude an der Natur, die Angst vor einem wachsenden Schwimmreifen oder eben die Acitivity-Kontrolle am Hangelenk sein. Entscheidend ist, dem Büroalltag einen Gegenpol zu setzen. Das kann eine Runde Laufen sein, die tägliche Radfahrt zur Arbeit oder eben "5 h 50 min Abwaschen". (Alois Pumhösel, DER STANDARD, CURE 19.8.2014)