Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Haftscheibe (grün), die auf einem Blatt (grau) gesponnen wurde.

Foto: Jonas Wolff

Kiel - Spinnenseide ist ein wahres Wundermaterial: Bezogen auf ihr Gewicht ist sie fast fünfmal so belastbar wie Stahl, stark dehnbar, leicht und wasserfest und noch dazu biologisch abbaubar. Forscher versuchen seit langem, den strukturellen Aufbau und die Bauweise dieser Fäden zu verstehen.

Wissenschafter der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben nun die Haftfähigkeit und Zugfestigkeit einer speziellen Seide an fünf verschiedenen Spinnenarten untersucht. Diese Seide wird von den Tieren genutzt, um den eigentlichen Faden mit Untergründen zu verbinden. Dabei fanden die Forscher heraus, dass insbesondere der Untergrund einen großen Einfluss auf die Haftfähigkeit der Fäden hat, wie sie in ihrer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift "Journal of the Royal Society Interface" schreiben.

Spinnennetz-Fundament

Die Arbeitsgruppe von Stanislav Gorb beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem sogenannten Sicherheitsfaden von Spinnen: Dieser wird zum Absichern, Abseilen und für die Rahmenstruktur des Netzes verwendet. Die Fäden werden mit so genannten Haftscheiben auf Untergründen und an anderen Fäden befestigt. Die Haftscheibe entsteht bei rotierenden Bewegungen der Spinnwarzen und wird in einem speziellen Gittermuster aufgetragen.

Das Team untersuchte, wie Haftscheiben auf verschiedenen Untergründen halten. "Dafür haben wir die Spinnen auf Glas, Teflon und auf das Blatt eines Bergahorns gesetzt, wo sie jeweils Haftscheiben hinterließen", so Jonas Wolff, Erstautor der Studie. "Dann haben wir durch Zugversuche die Kräfte gemessen, die nötig waren, um die Haftscheiben vom Substrat zu lösen."

Pflanzenwachse als evolutionärer Faktor

Das Ergebnis: Auf Glas hafteten die Spinnenfäden so gut, dass sie rissen, bevor es zu einer Ablösung kam. Auf Teflon dagegen lösten sich die Haftscheiben komplett ab, hafteten aber immer noch so gut, dass sie in den meisten Fällen ein Vielfaches des Spinnengewichtes halten konnten. "Auf der Blattoberfläche ist die Klebekraft schließlich soweit herunter gesetzt, dass sich die Haftscheibe in den meisten Fällen komplett ablöst", so Wolff.

Die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass Pflanzenoberflächen oft mit Mikrostrukturen und/oder Wachsen ausgestattet sind, um pflanzenfressenden Insekten das Laufen zu erschweren. Diesem Problem sind natürlich auch die Spinnen ausgesetzt, wenn sie in der Vegetation ihre Netze bauen wollen. "Wir vermuten, dass der Wettkampf zwischen Pflanze und pflanzenfressenden Insekten auch für die Spinnen einen evolutionären Druck darstellte, bessere Kleber zu entwickeln", berichtet Wolff weiter.

Nun untersucht das Team, wie genau die Haftscheiben aufgebaut sind und funktionieren. Erkenntnisse darüber könnten für die Entwicklung neuartiger ökonomischer und ökologischer Klebstoffe von großem Nutzen sein. An deren Effizienz lassen die Spinnen bereits jetzt keine Zweifel offen. (red, derStandard.at, 16.8.2014)